Im Netz Der Schwarzen Witwe
irgendwo herum. Ich wünschte, ich hätte jetzt diese Fotos zum Vergleich hier. Es ist nämlich wirklich erstaunlich, weil du jetzt ganz anders aussiehst. Du wirkst viel entspannter und … glücklich.“
„Das liegt daran, dass ich heute Morgen verdammtes Glück hatte.“ John zog sie an sich und küsste sie unterhalb ihres Ohrs. „Zufällig weiß ich, dass der geschätzte Dr. Gerrard Hollis diese Aktivität, der wir uns widmeten, als wirksamstes Mittel zum Stressabbau empfiehlt. Also, ja, ich fühle mich auch sehr entspannt.“
„Ich bin mir nicht sicher, ob der gute Dr. Hollis das als ‚verdammtes Glück‘ formuliert hat“, gab Mariah scherzhaft zu bedenken.
Er küsste sie erneut, diesmal auf den Mund, so zärtlich, dass sie dahinschmolz. „Und ob ich verdammtes Glück hatte“, sagte er und sah ihr in die Augen. „Ich glaube, ich war in meinem ganzen Leben noch nie so glücklich. Mit dir habe ich wirklich das große Los gezogen.“
Mariahs Kehle war wie zugeschnürt. Was versuchte er ihr denn da zu sagen? In seinen Augen lag eine Sanftheit, die sie durchaus als Ausdruck von Liebe interpretieren würde – wenn sie dumm genug wäre. Aber erstens war sie nicht dumm, und zweitens wollte sie diesen Ausdruck gar nicht deuten. Sie wollte weder hoffen noch daran überhaupt denken.
Das Telefon klingelte, und sie löste sich von ihm, froh über die Unterbrechung.
Es war die Arztpraxis, die endlich zurückrief. Der Doktor war der Ansicht, sie könne ihre gewohnten Tätigkeiten wieder aufnehmen – vorausgesetzt, sie übertrieb es nicht.
John schenkte sich eine weitere Tasse Kaffee ein, während Mariah telefonierte. Jetzt wünschte er, sie zu fotografieren. Nur mit ihrem seidenen Kimono bekleidet, die Haare noch zerwühlt von der gemeinsamen Zeit im Bett, sah sie einfach faszinierend aus – warm und einladend und behaglich wie das Frühstück, das sie zusammen auf der Veranda im weichen Licht der Morgensonne eingenommen hatten.
Normalerweise hasste er es, wenn ihm jemand bei seiner morgendlichen Routine in die Quere kam. Der Morgen war seine ganz private Zeit. Doch während er Mariah beobachtete, wurde ihm klar, dass er das gern immer hätte – das Frühstück mit ihr, sie ansehen zu können, ja sogar den Abwasch zu machen. Es war angenehm und entspannend, mit ihr zusammen zu sein. Es fühlte sich richtig an. Selbst das Schweigen war wohltuend.
Er konnte sich sehr gut vorstellen, morgens früh als Erstes in Mariahs wunderschönes Gesicht zu blicken und sich jede Nacht an ihren aufregenden Körper zu schmiegen. Er konnte sich vorstellen, jeden Abend nach Hause zu kommen und von ihrem warmen Wesen und ihrer Liebe empfangen zu werden.
Das waren gefährliche Gedanken. Mariah hatte nichts dergleichen gesagt oder getan, was ihn zu der Annahme verleiten könnte, sie sei an mehr als einer Urlaubsromanze interessiert. Und ehe sie irgendwelche Pläne machen konnten, die über eine kurze Affäre hinausgingen, würden sie einander erst einmal die Wahrheit gestehen müssen. Schließlich benutzten sie beide einen falschen Namen.
Was für eine Ironie. Es war nur eine Frage der Zeit, bis diese Ermittlungen für gescheitert erklärt würden. Aber wie erklärte man einer Geliebten am besten, dass man ihr nicht den richtigen Namen genannt hatte? Und wann war der beste Zeitpunkt für ein solches Geständnis? Unmittelbar nach dem Sex? Oder bei einem ruhigen Abendessen zu zweit? Ach, Liebling, übrigens weißt du gar nicht, wer ich wirklich bin …
Dabei benutzte Mariah selbst einen falschen Namen. Sie würde ihm also ebenfalls etwas zu gestehen haben. Marie Carver, ehemalige Chefin von Carver Software in Phoenix, Arizona.
Er hatte in den Unterlagen nachgeschaut. Dem Unternehmen ging es gut. Es gab keine Berichte über Unterschlagungen – und auch keinen Grund für ein derartiges Vergehen.
Marie – Mariah – hatte nach dem Tod ihres Vaters dessen Anteil am Unternehmen geerbt. Unter ihrer Führung wurde es richtig erfolgreich. Obwohl sie das Unternehmen nicht mehr leitete, gehörte ihr noch ein beträchtlicher Anteil. Sollte sie diesen Anteil zum derzeitigen Marktwert verkaufen, würde das auf einen Schlag locker fünfzehn Millionen Dollar auf ihr Privatkonto spülen. Nein, Mariah hatte ganz sicher keinen Grund, Firmengelder zu unterschlagen. Laut Auskunft des Finanzamtes hatte sie außerdem immer pünktlich ihre Steuern gezahlt.
Warum also lebte sie unter falschem Namen weit weg von zu Hause?
John hatte während des
Weitere Kostenlose Bücher