Im Netz Der Schwarzen Witwe
Liebe gestehen wollte.
Stattdessen sagte er aber nur: „Ich bin spätestens um sieben wieder da.“
Er sah ihr unverwandt in die Augen, dann küsste er sie sacht auf die Lippen und half ihr von der Arbeitsfläche herunter. Er küsste sie noch einmal, bevor er im Badezimmer verschwand, während sie ihren Kimono glatt strich und den Gürtel zuband. Als er den Flur entlang zurückkam, zog er sein T-Shirt an.
„Ich muss mich beeilen“, erklärte er und blieb kurz stehen, um ihr einen flüchtigen Abschiedskuss zu geben, der sich jedoch schnell ausdehnte und leidenschaftlicher wurde. Nur äußerst widerstrebend löste Jonathan sich wieder von ihr. „Wir sehen uns später, ja?“
„Um sieben“, sagte Mariah.
Auf dem Weg zur Glasschiebetür kam er am Esstisch vorbei und blieb unvermittelt stehen. „Verdammt!“
„Was?“
Er nahm eines der Bilder, die verstreut auf dem Tisch lagen. Es handelte sich um ein Farbfoto, das sie mit der billigen Wegwerfkamera von Serena gemacht hatte. „Woher hast du das?“
„Das habe ich vor einigen Wochen gemacht. Warum fragst du?“
Sein Blick wirkte plötzlich hart und durchdringend. Beinah aufgeregt erklärte Jonathan: „Oh, nur so. Das ist gut. Sehr gut sogar. Hast du noch mehr Fotos von ihr?“
Mariah sank der Mut. Wieso interessierte er sich so für Fotos von Serena? Das konnte doch nur bedeuten … Nein, sie weigerte sich, so etwas zu denken.
„Ja“, sagte sie, trat an den Tisch und schaltete einige der Lampen ein, die noch immer in diesem Teil des Zimmers standen. „Es ist mir gelungen, vier oder fünf von ihr zu machen, ohne dass sie es gemerkt hat. Sie ist erstaunlich fotogen, aber sie wird überhaupt nicht gern fotografiert. Das ist schon irgendwie seltsam.“
„Ja, ich weiß“, sagte er und betrachtete die Fotostapel, als wollte er am liebsten sofort alle durchsehen, befürchtete jedoch, ihr Ablagesystem in Unordnung zu bringen. „Wo sind die anderen? Hast du sie noch?“
Das konnte nur bedeuten, er war nach wie vor vernarrt in Serena … Diesmal gelang es Mariah nicht mehr, diesen Gedanken zu unterdrücken.
„Die müssen hier irgendwo sein“, antwortete sie und sah rasch einen der Fotostapel durch, während sie diesen abwegigen Gedanken verwarf. Er wollte nicht Serena, sondern sie. Das hatte er ihr gesagt, und sie wusste einfach, dass es der Wahrheit entsprach. Wie hätte er mit ihr auf diese Weise schlafen können, wie er es gerade eben erst getan hatte, wenn das nicht wahr wäre? „Wahrscheinlich liegen sie in dem Stapel, aus dem du dieses Foto hast.“ Sie grub drei weitere Bilder von Serena aus.
Eine der Aufnahmen zeigte eine nahezu perfekte Profilansicht der Engländerin. Auf den drei anderen war sie in einer Dreiviertelansicht oder genau von vorn zu sehen.
„Darf ich die haben?“, fragte John.
Mariah lachte. „Das soll wohl ein Witz sein.“
Plötzlich schien ihm aufzugehen, wie unangebracht seine Bitte war. Vor wenigen Minuten erst hatte er mit ihr geschlafen, und jetzt wollte er Bilder von der Frau, mit der er zuletzt ein Date gehabt hatte. Ein Date, bei dem er sie mindestens geküsst hatte. Mariah zog die Möglichkeit, dass er auch mit Serena geschlafen hatte, lieber nicht in Betracht. Allerdings fiel es ihr nicht schwer, sich die beiden zusammen vorzustellen.
John schüttelte den Kopf. „Es ist nicht so, wie du denkst.“
„Nein? Dann erklär es mir bitte mal. Was genau ist es denn? Das würde ich wirklich gern erfahren. Warum willst du diese Fotos haben?“ Sie war ja durchaus bereit, ihm zu glauben, falls er eine gute Begründung hatte.
Zu ihrer Enttäuschung winkte er ab. „Es tut mir leid. Vergiss es.“ Er legte die Fotos zurück auf den Stapel. „Es ist nur … ich wollte sie einem Freund in New York schicken. Ich glaube, die beiden könnten sich richtig gut verstehen. Sie ist genau sein Typ und …“
Er log ihr ins Gesicht. Er stand hier vor ihr und tischte ihr irgendeine billige Lüge auf. Am schlimmsten war, dass er kurz geglaubt hatte, sie würde ihm diese Lüge abkaufen. Aber das tat sie nicht, und er wusste es.
„Verdammt, ich kann dir nicht sagen, warum ich diese Fotos brauche“, sagte er schließlich. „Ich kann dir aber versichern, dass es nichts mit dir und mir zu tun hat.“
„Ich will nicht, dass du sie nimmst“, gestand sie. „Es tut mir leid. Serena weiß nicht, dass ich diese Fotos gemacht habe, und ich … ich will einfach nicht, dass du sie hast.“
„Das ist schon in Ordnung.“ Er nickte.
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