Im Netz der Sinnlichkeit
auch etwas gegen die eher negativen Effekte der Medikamente, damit er klar denken konnte, ohne Schmerzen zu haben.
Erst nach fünf Minuten sagte Riordan wieder etwas.
»Ein blöder Fehler«, murrte er. »Nichts Weltbewegendes. Ich habe in einem der kleinen Trainingsräume Gewichte gestemmt. Krafttraining.«
Sie bemühte sich um einen neutralen Ton. »Verstehe.« Da die größeren Knochenstücke jetzt an der richtigen Stelle lagen, wandte sie sich den übleren Schäden zu, holte feine Knochensplitter heraus, bevor sie in die Blutbahn gelangen konnten. Sobald ein kleines Stück eines Splitters aus der Haut schaute, zog ihn Lara mit einer feinen Pinzette heraus.
Riordan stöhnte auf.
»Sieh nicht hin.«
»Ich kann nicht anders.« Er schien die Zähne zusammenzubeißen. »Werden mir diese Stücke fehlen?«
»Nein, ich rege deinen Körper zur Selbstheilung an.« Was nicht ganz stimmte, denn die heilende Energie kam von ihr, doch es kam dem nahe, was passierte. »Nachher wirst du sehr hungrig sein. Hol dir etwas mit vielen Kalorien.«
»In Ordnung.«
Nachdem die gefährlichen Splitter draußen waren, wandte sich Lara wieder der Heilung zu. »Du wolltest mir doch erzählen, was du gemacht hast.«
Wieder trat Stille ein, dann sagte er: »Ich wollte noch mehr Gewichte auflegen, muss aber den falschen Knopf erwischt haben. Plötzlich wog das Ding eine Tonne und kippte bedenklich zur Seite. Ich konnte mich nur noch entscheiden, ob es die Brust oder den Arm zerschmetterte.«
Lara runzelte die Stirn. Er sprach vom Bankdrücken. »Warum hast du allein trainiert?« Ein Helfer war Pflicht an diesem Gerät, und Riordan war nicht so dumm, sich leichtsinnig über Regeln hinwegzusetzen.
»Ich wollte nachdenken.« Das klang so gepresst, als wollten die Worte ihm kaum über die Lippen kommen.
6
Lara konzentrierte sich auf die Knochen und verkniff sich jeden Kommentar. Sie sah auf die Uhr am Kopfende der Liege, vierzig Minuten waren schon vergangen. Riordan hatte die Lider geschlossen und lächelte. »Rory?«, flüsterte sie.
»Ich bin wach.« Er öffnete die Augen, das Lächeln in den großen braunen Augen hatte ihn schon als Kleinkind Herzen brechen lassen. »Wenn du heilst … ist es wie Sonnenstrahlen. Richtig schön.«
Nun lächelte auch sie. Sie küsste ihn auf die Wange, strich über die schokoladenbraunen Locken und richtete sich dann wieder auf. Rieb sich den schmerzenden Rücken. »Was hat dir denn Sorgen gemacht?« Als Teenager war sie seine Babysitterin gewesen, er hatte sie mit seinem unbekümmerten Charme um den Finger gewickelt. Dann war er erwachsen geworden, ein verantwortungsvoller Rudelgefährte, der sich aber den Spaß am Leben nicht nehmen ließ. Noch nie hatte sie ihn so angespannt erlebt.
»Ach, es ist nichts.«
»Du weißt doch, dass alles, was du sagst, unter uns bleibt.« Menschenärzte schworen einen Eid auf ihr Schweigen. In einem Rudel sah es ein wenig anders aus, denn da gab es Situationen, in denen es Lara aufgrund der Hierarchie erlaubt war, Informationen weiterzugeben, man erwartete es sogar von ihr. Dennoch verriet sie nie etwas, wenn sie um Vertraulichkeit gebeten wurde.
Ein langer Blick. »Obwohl du nun einen Gefährten hast?«
»Walker weiß genau, wer ich bin«, sagte sie und wandte sich den Muskeln, Sehnen und Blutgefäßen zu, die angerissen waren. »Er erwartet nicht, dass ich Vertrauliches preisgebe.«
Das war ihr so wichtig gewesen, dass sie es schon während der Werbung angesprochen hatte. »
Ein paar Geheimnisse werde ich für mich behalten«,
hatte sie gesagt, denn sie wusste, wie wichtig Walker nach den Erfahrungen mit Yelene absolute Ehrlichkeit war. »
Dinge, die mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut worden sind. Kannst du das verstehen?«
Walker hatte ihr mit einer vertrauten Geste eine Strähne aus der Stirn gestrichen.
»Die Informationen sind vertraulich und nur für dich bestimmt. Sie gehen mich überhaupt nichts an.«
Riordan atmete tief ein und wieder aus. »Erinnerst du dich noch daran, wie Hawke im
Wild
aufgetaucht ist?«, fragte er. Das
Wild
war eine Bar nicht weit von ihrem Revier, die jüngere Gefährten gerne aufsuchten – seit der Schlacht war aber niemand mehr dort gewesen.
Im Augenblick wollten alle beim Rudel sein.
»Die Geschichte ist legendär.« Wie ein Lauffeuer hatte sich die Nachricht im Rudel verbreitet, dass Hawke Sienna auf seinen Schultern aus der Kneipe getragen hatte. »Das wird niemand jemals vergessen.«
Riordan
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