Im Netz des Spinnenmanns: Thriller (German Edition)
blieb vor dem Haus stehen und sah sich um. Er stand auf demselben Bordstein, wo er zusammen mit Lizzy gewartet hatte, bis Verstärkung eintraf. Lizzy hatte immer wieder betont, sie sei sich absolut sicher, dass der Spinnenmann sie an jenem Tag beobachtet hatte. Jared warf einen Blick auf die andereStraßenseite, wo die ältere Dame aus dem Küchenfenster zu ihnen herübergeschaut hatte.
Die Gegend sah aus wie jedes andere stinknormale Wohnviertel: Ein Einfamilienhaus nach dem anderen, die meisten von ihnen in den Siebziger- oder Achtzigerjahren erbaut und unterschiedlich gut erhalten. In vielen wohnten Familien mit kleinen Kindern.
Er ließ den Blick von Haus zu Haus wandern. Lizzy hatte ihm erzählt, sie hätte nach ihrer Flucht nach rechts geschaut, um zu sehen, aus welchem Haus sie entkommen war. Aber dann hatte die aufgehende Sonne sie geblendet.
Jared stellte sich mitten auf die Straße, die rechte Körperhälfte nach Osten gewandt. Wenn Lizzy nach rechts geschaut hatte, um das Haus sehen zu können, aus dem sie gerade geflohen war, und dabei von der Sonne geblendet worden war, dann konnte es nicht das Haus der Walkers gewesen sein, denn das befand sich auf der falschen Straßenseite.
Draußen war es immer noch dunkel. Jared lief die Straßenmitte entlang. Irgendwo weiter weg bellte ein Hund. Der Mondschein warf Schatten auf seinen Weg. Auf der anderen Straßenseite standen über ein Dutzend Häuser, darunter sechs oder sieben, von denen aus man das Haus der Walkers gut sehen konnte. Wenn Lizzy recht hatte und sie an jenem Tag wirklich beobachtet worden war, dann war er nahe dran. In der jetzigen Situation war nahe dran allerdings nicht nah genug. Womöglich wusste der Spinnenmann aus den Nachrichten, dass man seine tote Frau gefunden hatte. Die Fahndungsausschreibung lautete auf die Namen Samuel Jones und Dr. McMullen. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit. Ihnen allen nicht. Sein Handy summte und er klappte es auf, ohne auf die Rufnummer auf dem Display zu sehen.
»Jared, ich muss mit dir reden.«
Er ging weiter. »Mom, jetzt nicht.«
»Leg nicht auf, Jared.«
Er hielt die Waffe schussbereit.
Außer ihrem Schluchzen hörte er nichts. Er stand kurz davor, das Handy ins Gebüsch zu werfen, biss jedoch die Zähne zusammen.»Was soll ich dir sagen? Die Welt dreht sich nicht nur um dich und deine Probleme.« Jared wusste, dass ihn später womöglich ein schlechtes Gewissen heimsuchen würde, aber im Augenblick war es ihm egal. Er hatte von dem kindischen Benehmen seiner Eltern die Nase voll. Sollten sie doch endlich erwachsen werden und ihr Leben in Ordnung bringen. Er fixierte das Haus vor ihm mit seinem Blick und hoffte, dass es das richtige war. Er musste es riskieren. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich ein Haus nach dem anderen vorzunehmen. Gerade wollte er auflegen, als seine Mutter sagte: »Ich glaube, ich weiß, wo du Dr. McMullen finden kannst.«
»Wieso? Wie?« Was sie sagte, ergab keinen Sinn.
»Er ist der Mann, von dem ich deinem Vater erzählt habe. Er ist mein Liebhaber. Seit ein paar Tagen ruft er mich nicht mehr zurück. Also habe ich neulich vor seiner Praxis gewartet, bis er gegangen ist, und bin ihm dann nachgefahren.«
Kapitel 37
Dienstag, 23. Februar 2010, 4:32 Uhr
Lizzy öffnete die Augen.
Es war stockfinster und sie konnte die Hand nicht vor Augen sehen. Er hatte sich gut auf diesen Augenblick vorbereitet. Wenn es in diesem Raum Fenster gab, hatte er sie perfekt verdeckt. Sie spürte, wie Angst ihr die Kehle zuschnürte, und konnte kaum atmen.
Nur keine Panik, Lizzy.
Wenn sie Brittany und Hayley helfen wollte, musste sie Ruhe bewahren.
Tod.
Der Raum roch nach Tod. Er hatte ihr die Arme auf den Rücken gefesselt, genau wie damals. Dieser Dreckskerl. Sie zerrte wütend an den Stricken, doch dann dämmerte es ihr. Er glaubte, sie so gut zu kennen, und trotzdem wusste er immer noch nicht, dass sie ihre Schultergelenke genauso problemlos auskugeln konnte, wie andere Leute mit den Knöcheln knackten. Wüsste er das, so hätte er sie nicht auf diese Art und Weise gefesselt. Sie hatte nie dem FBI oder irgendjemand anderem von dieser Fähigkeit erzählt, weil sie sie bei ihrem ersten Fluchtversuch genutzt hatte – und für den interessierte sich später niemand. Wenn ihr dieses Kunststück jetzt wieder gelang, konnte sie ihn überraschen.
Sie lauschte einen Augenblick. Ihr Kopf tat weh – ein stechender Schmerz, der sich wie eine Schockwelle in ihrem Schädel ausbreitete. Was
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