Im Notfall Buch aufschlagen: Tipps für alle möglichen Katastrophen (German Edition)
Die Kosten beginnen bei wenigen hundert Euro im Jahr.
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43. Historisches Unglück (III) VOLKSHOCHSCHULE DER VERGANGENHEIT (III)
Was wollen uns die größten Katastrophen kommunizieren? Werft die Haustiere raus!
Der Jäger atmete tief ein und drückte ab. Aus den dichten Bäumen des westafrikanischen Dschungels fiel ein großer Körper und blieb regungslos auf dem Erdboden liegen. Der Jäger lächelte. Ein Schimpanse war eine gute Beute. Die Männer schleppten den schweren Menschenaffen zurück zum Dorf, wo er von den Frauen auf dem Lehmboden der Hütte zerlegt wurde. Das Blut versickerte nur langsam im Boden. Irgendwann in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts muss sich diese Szene in Kamerun abgespielt haben. Eine Schicksalsstunde der Menschheit, denn damals fand das HI-Virus erstmals den Weg vom Affen in den menschlichen Körper. Über das verzweigte Flusssystem Kameruns breitete sich das Virus immer weiter in West- und Zentralafrika aus. Die erste Aidsinfektion wurde 1959 in Kinshasa im Kongo nachgewiesen. Ende der siebziger Jahre erreichte das Virus bereits Amerika und Europa. Heute sind 33,4 Millionen Menschen infiziert.
Seuchen wie Pocken und Masern wurden nicht von leise lächelnden intelligenten Designern entworfen, sondern stammen meist aus dem Kreislauf eines possierlichen Tierchens. Alle weitverbreiteten und gefährlichen Infektionskrankheiten, auch die Grippe, sind laut dem Evolutionsbiologen und Biogeographen Jared Diamond sogenannte Zoonosen – Seuchen, die vom Tier auf den Menschen übergesprungen sind. Der Pesterreger lebte ursprünglich in Eichhörnchen, bevor er über den Umweg der Rattenschwärme, die die Kloaken und schmutzigen Gossen der mittelalterlichen Städte belebten, auch den Menschen erreichte und ein Drittel der europäischen Bevölkerung auslöschte. Im 21. Jahrhundert sprang das SARS-Virus, das schwere Lungenkrankheiten auslösen kann, in Hongkong und Südchina von Hühnern auf den Menschen über – der Wohnzimmerstall, den viele in der Region betreiben, das Nebeneinander von Sofa und Gatter, Futtertrog und Herd ist der ideale Nährboden für wilde Viren. Auch der Ebola-Erreger ( → Viren, S. 58), der Fieber und innere Blutungen hervorruft und eine Todesrate von 50 bis 90 Prozent hat, stammt von einem Tier: Fledermäuse und Flughunde, die in Westafrika in Höhlen leben und in der Nacht mit enormen Schwärmen, die bis zu 3 Millionen Tiere enthalten können, den Mond verdunkeln (Fledermäuse sind Vegetarier und lassen sich gerne im Obstgarten nieder, wo sie Früchte anknabbern und vollsabbern und infektiösen Kot und Schleim hinterlassen). Der Vampir ist also doch ein Feind des Menschen, nur saugt er unser Blut nicht aus, sondern kontaminiert es mit schädlichen Substanzen. Wir hatten die Viecher immer im Verdacht.
Vor 14 000 Jahren hat der Mensch den Wolf gezähmt und einen Freund gefunden. 10 000 Jahre später schlichen die ersten Haustiger durch die Behausungen. Die Domestizierung von Wildtieren ist ein großer Entwicklungsschritt in der Zivilisationsgeschichte, denn erst mit Rinderherden, Zugochsen und Federvieh konnte die Ernährung von immer größeren Populationen sichergestellt werden. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen jedoch, dass Menschen zu dem Zeitpunkt, an dem sie sesshaft wurden und sich in der Freizeit der Dressur von Wildtieren widmeten, auch erstmals Opfer von großen Seuchen und Infektionskrankheiten wurden.
Die primitiven Schlachtereien von Westafrika, in denen Primaten, Nagetiere und anderes «bush meat» verarbeitet werden, und die engen, verwinkelten Tiermärkte von Südostasien, wo viel Wert auf Lebendfleisch und wenig Wert auf Hygiene gelegt wird, sind nach Ansicht vieler Infektiologen gefährliche Viren-Brutstätten. Säuger wie Schweine, Affen und Nager sind besonders gefährlich, da ihr Erbgut eine höhere Übereinstimmung mit der menschlichen DNA aufweist als das von Vögeln oder Reptilien und es so dem Virus einfach gemacht wird, neue DNA-Bausteine aufzuklauben und ohne immunologischen Jetlag von Körper zu Körper zu reisen. Westliche Bewohner runzeln beim Anblick der unhygienischen Zustände auf den Tiermärkten und Bauernhöfen der Entwicklungsländer gerne die Stirn und vergessen dabei, dass auch in jedem dritten europäischen Haushalt ein Tier lebt. Allein bei Hunden, Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen und Vögeln haben Mediziner mehr als 50 Mikroorganismen nachgewiesen, die für den Menschen sehr gefährlich
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