Im Palast des Wuestenprinzen
Zeltstadt war abgebaut worden, und jetzt zogen lange Karawanen mit vollbepackten Kamelen und Pferden in verschiedene Richtungen.
Morgan beobachtete die Kolonne von Geländewagen, die schon bald die Grenze nach Jebbai passieren würde, und winkte immer wieder, obwohl ihr klar war, dass Sapphy es nicht sehen konnte. Wäre alles anders gekommen, würde ich jetzt mit ihr unterwegs in die Freiheit sein, überlegte sie und konnte selbst kaum glauben, wie nahe sie daran gewesen war, alles aufzugeben, was sie hier gefunden hatte.
„Okay, das war es dann. Morgen fahren wir nach Jamalbad City zurück“, erklärte Nobilah neben ihr und seufzte wehmütig.
Auch Morgan verspürte so etwas wie Wehmut. An die Zeit hier würde sie sich immer gern erinnern. Sie drehte sich zu Tajik um. Hier in diesem Palast hatte sie angefangen, diesen attraktiven, stolzen Mann zu lieben.
Er erwiderte ihren Blick und lächelte sie so warm und innig an, dass sie das Gefühl hatte, vor lauter Liebe dahinzuschmelzen.
Als sie sich umdrehte, um mit Nobilah ins Innere zu gehen, sah sie, wie hasserfüllt Qasim sie anstarrte. Er stand am anderen Ende des Balkons, verzog verächtlich den Mund und flüsterte seiner Tochter neben ihm etwas ins Ohr, ehe er sie vor sich her in den Palast schob.
Morgan stand wie erstarrt da und wartete, bis Qasim verschwunden war. Warum hasste er sie so sehr? Was hatte sie ihm getan?
„Murjanah?“ Tajik legte ihr die Hand auf den Arm. „Was ist los?“
„Qasim hat mich so seltsam angeschaut. Aus irgendeinem Grund scheint er mich zu hassen. Von Anfang hat er mir deutlich zu verstehen gegeben, dass er mich nicht mag, aber ich habe ihn noch nie zuvor so zornig gesehen. Weißt du, was er gegen mich hat?“
Tajik runzelte die Stirn. „Er hat kürzlich eine Enttäuschung erlebt, die er noch nicht überwunden hat. Mach dir keine Gedanken, ich werde die Sache regeln.“
„Was für eine Enttäuschung?“
„Es hat nichts mit dir zu tun.“
Wenig später machte sie mit Nobilah einen letzten Spaziergang durch den Palastgarten. Diesen Ort in der Wüste würde sie sehr vermissen, mit ihm die sanften Oryxantilopen, die spektakulären Sonnenaufgänge und – untergänge. Aber sie würden wiederkommen, vielleicht im Dezember, mit Tegan und ihrer Familie. Wie gern würde sie die Freude an den Schönheiten dieses Landes mit ihrer Schwester teilen. Sie nahm sich vor, Tajik zu bitten, einige Tage mit ihrer Familie hier zu verbringen.
Als sie nach dem Spaziergang Tajiks private Unterkunft betrat, stand er zu ihrer Überraschung reglos mitten im Salon, offenbar hatte er auf sie gewartet. Lächelnd wollte sie ihn begrüßen, doch in dem Moment bemerkte sie seine finstere Miene und seine drohende Haltung.
„Tajik?“, flüsterte sie. Ein Déjà-vu-Gefühl überkam sie, sie fühlte sich zurückversetzt in die ersten Tage ihrer Beziehung. „Was ist passiert?“
Er schien vor Wut zu kochen, und seine Kinnmuskeln zuckten. Schließlich stieß er wütend hervor: „Was hast du mit dem Collier gemacht?“
Das war das Allerletzte, womit sie gerechnet hatte. Ein eisiger Schauder erfasste sie. „Wovon redest du?“
„Hast du etwa mein Hochzeitsgeschenk schon vergessen?“
„Natürlich nicht. Ich weiß nur nicht, weshalb du danach fragst.“
„Gut, wenn du es nicht vergessen hast, verrat mir bitte, wo du es aufbewahrst.“
Eine unerklärliche Angst überfiel sie. Was auch immer geschehen war, er glaubte offenbar, sie sei dafür verantwortlich. Der Traum vom Glück war ausgeträumt. Hatte sie ihn so falsch eingeschätzt?
„In dem Kästchen, in dem du es mir geschenkt hast“, erwiderte sie und befürchtete das Schlimmste. Wahrscheinlich hatte er das Collier dort nicht gefunden.
„Meinst du dieses leere Kästchen?“ Er drehte sich um, nahm es vom Tisch und hielt es ihr anklagend hin.
Hilflos und verzweifelt schüttelte sie den Kopf. „Heute Morgen war das Collier nach da, das kann ich beschwören.“
„Und du weißt wirklich nicht, was damit geschehen ist?“
„Nein! Es war noch da, in dem Kästchen.“
„Vielleicht hast du jemanden damit bestochen, um von hier wegzukommen.“
Ihre Gedanken überschlugen sich. Er kam der Wahrheit gefährlich nahe. „Nein, ganz bestimmt nicht. Warum hätte ich das tun sollen? Dafür bedeutet mir dein Geschenk viel zu viel.“
Endlich entspannte er sich etwas. „Gut. Ich wusste, dass er lügt. So hinterhältig bist du nicht. Aber als ich es nicht fand …“
Er stellte das Kästchen
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