Im Palazzo sueßer Geheimnisse
dieser Job sehr interessiert, aber unter diesen Umständen lehne ich es ab, zu bleiben und …
In diesem Moment öffnete sich die Tür zum Nebenraum, und eine blonde Schönheit kam herein. Sie trug einen eleganten blauen Hosenanzug, der zu ihrer Augenfarbe passte. Bei genauerem Hinsehen stellte Lucy fest, dass die Frau älter war, als sie vermutet hatte. Sie schätzte sie auf Mitte dreißig.
Insgesamt wirkte die Frau sehr weiblich, und sie hatte sorgfältig manikürte Nägel. An ihren Fingern funkelten einige Ringe.
Mit dem unverkennbaren Akzent einer Amerikanerin meinte sie höflich: „Sie müssen Miss Weston sein … Ich bin Didi Lombard.“ Sie gab Lucy die Hand und fügte hinzu: „Als ich Stimmen hörte, wollte ich kurz hereinschauen und Hallo sagen.“ Zu Michele gewandt, sagte Didi schnell auf Italienisch: „Meinst du, es ist gut, wenn du unsere junge Freundin verärgerst? Sollte sie deswegen gleich wieder abreisen, war alles umsonst.“
Es entstand eine Pause. Alle drei standen da wie Spieler, die nicht mehr wussten, wer am Zug war. Schließlich blickte Michele zu Lucy und meinte steif: „Ich bitte dich um Verzeihung für die Entgleisungen meiner zügellosen Zunge und meines Humors.“
Lucy starrte ihn nur an.
„Ich bitte dich …“, setzte er nach und deutete formvollendet eine kleine Verbeugung an, „… meine Entschuldigung anzunehmen.“ Als Lucy zögerte, weil sie nicht wusste, was sie erwidern sollte, sagte er: „Vielleicht sollten wir uns an die Arbeit machen. Willst du die Objekte für die Ausstellung sehen?“
Ihre Blicke begegneten sich und versanken ineinander, wobei Lucy bemerkte, dass seine Augen nicht grau – wie sie es gedacht hatte –, sondern derart unendlich silbergrün waren, dass sie sich darin hätte verlieren können.
Sowie es ihr bewusst wurde, schaute sie schnell weg, schulterte ihre Handtasche und sagte so kühl und geschäftsmäßig, wie sie konnte: „Na gut.“
Michele sah zu der blonden Schönheit. „Kommst du mit uns, Didi?“
Die zog ihre zierliche Nase kraus. „Nein, nein“, antwortete sie, wandte sich lächelnd an Lucy und erklärte: „Ich habe eine Galerie in New York, aber aktuell genehmige ich mir eine Auszeit von der Kunstszene. See you later, Miss Weston.“
Anschließend legte sie lässig und sehr besitzerergreifend ihre Hand auf Micheles Arm und sprach noch auf Italienisch mit ihm. „Ich bin mir sicher …“, sagte sie, „… du hast leichteres Spiel, wenn du nett zu der Kleinen bist. Du bist ein sehr attraktiver Mann, und sie ist ganz offensichtlich in dich verknallt.“ Anzüglich fügte sie hinzu: „Wenn du dich geschickt anstellst, wette ich mit dir, dass sie in deinen Händen zu Wachs wird. Ciao, caro .“
Sie ist ganz offensichtlich in dich verknallt …
Ach, tatsächlich?! Lucy hätte den beiden gern die Meinung gesagt – natürlich auch so fließend auf Italienisch – aber sie konnte sich beherrschen und tat unbeteiligt, bis Didi wieder dort verschwand, wo sie hergekommen war.
Denn selbst wenn sie – offenkundig nichtsahnend – unmissverständlich klarmachte, dass Didi Lombard falsch lag, sie nicht in Michele verknallt war, geschweige denn „Wachs“ in seinen Händen wurde, war es trotzdem nicht weniger peinlich!
Während Lucy noch in Gedanken war, ging Michele zur Tür, öffnete sie und fragte ruhig: „Wollen wir gehen?“
Stocksteif folgte sie ihm durch die Galerien, Salons und Zimmer des Wohntrakts ins Parterre, und die ganze Zeit flatterten ihre Gedanken umher wie ein Schwarm Schwalben.
Wie konnte er annehmen, sie wäre schon einmal im Palazzo gewesen? Und wieso hatte er so verächtlich, regelrecht beleidigend auf ihre gelöste Verlobung reagiert? Ob er ein Frauenfeind war? Wenn ja, wie passte die schöne Didi dazu? Am rätselhaftesten aber war, warum der Amerikanerin so daran lag, dass Michele nett zu ihr war …
„Da wären wir“, unterbrach dieser ihre Gedanken mitten in einem Natursteinflur, öffnete eine schwere Holztür und knipste das Licht an.
Der Atelierraum hatte keine Fenster, und in die Decke waren Neonleuchten eingelassen, auf dem Steinfußboden standen einige Werkbänke, und verschiedene Arbeiten waren mit weißen Tüchern verhängt. Am anderen Ende gab eine halb offen stehende Tür den Blick zu einem gekachelten Waschraum frei.
Michele ließ Lucy Zeit, sich umzusehen, zeigte ihr dann die Ausstellungsobjekte.
In den unteren Regalen lagen zahlreiche Skulpturenfragmente. Es handelte sich um
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