Im Palazzo sueßer Geheimnisse
ungeachtet seines Schweigens hinzu: „Seitdem habe ich Schokolade nie wieder angerührt.“
Ohne sich umzusehen, ging sie aus dem Garten und durch den Innenhof. Zwar war er leise, aber der eisige Schauer, der ihr über den Rücken rann, sagte ihr, dass Michele dicht hinter ihr war.
Wie er es angekündigt hatte, wurde das Mittagessen auf der Terrasse serviert. Lucy ließ ihn einen Stuhl für sie vorziehen. Michele setzte sich ihr gegenüber und beugte sich vor, um ihr aus einer Flasche ein Glas leicht gekühlten Soave Classico aus Venetien einzuschenken. Seine Miene war ausdruckslos, verriet nichts. Aber Lucy spürte die Gefahr, die in der Luft lag, beinahe körperlich.
Sie hatte einen Knoten im Magen, der sie vom Essen abzuhalten schien, aber in einer Art Trotzreaktion bediente sie sich an einer Platte Frutti di Mare .
„Also, von Schokolade ist dir schlecht geworden.“ Micheles Augen funkelten so, dass Lucy noch mehr auf der Hut war. „Passiert das immer, wenn du auf etwas … gierig bist?“
Lucy blieb die Luft weg, kam jedoch um eine Antwort herum, als Rosa ihnen mitteilte, dass Michele von einem Geschäftspartner am Telefon verlangt wurde.
Er entschuldigte sich und folgte der Haushälterin in den Palazzo.
Wie lang hältst das noch durch?, fragte sie sich verzagt. Wie lange schaffst du es, dir dein gebrochenes Herz nicht anmerken zu lassen?
Ihre Gedanken wurde von ungeduldigem Miauen unterbrochen. Heilfroh begann Lucy, ihre Meeresfrüchte an Cas zu verfüttern. Poll tauchte auf – das Pärchen war nie weit voneinander getrennt – und fraß genüsslich seinen Anteil.
Als Michele zurückkam und sich wieder auf seinen Platz setzte, nippte Lucy an ihrem Wein, und ihr Teller war fast leer.
Michele warf einen nachdenklichen Blick darauf. Gerade wollte Lucy sich im Stillen gratulieren, als er bemerkte: „Viel Appetit scheinst du nicht gehabt zu haben. Ich habe dich dabei beobachtet, wie du alles den Katzen gabst.“
Sie hätte wissen müssen, dass sie Michele so leicht nichts vormachen konnte. … „Au! Hör auf, Cas.“ Lucy bückte sich und schob die scharfen Krallen von ihrem Oberschenkel.
„Das kommt davon, wenn man die beiden am Tisch füttert.“
Lucy nippte nur an dem erfrischenden Weißwein und sagte nichts.
„Du nanntest ihn Cas. Woher willst du so genau wissen, dass er es ist? Didi kann die beiden nie unterscheiden.“
Lucy verkniff sich eine giftige Entgegnung. „Sie sehen zwar gleich aus, aber verhalten sich ganz anders. Cas, zum Beispiel, schnurrt immer, Poll nicht.“
„Aha“, sagte Michele und fügte betonend hinzu: „Wie jemand oder etwas sich verhält, kann natürlich sehr verräterisch sein.“
Er fixierte Lucy so, dass sie seinem Blick nicht ausweichen konnte. Als er ihren Unwillen darüber bemerkte, lächelte er. „Wenn du fertig bist, habe ich eine Überraschung für dich.“
„Ich weiß nicht, ob ich …“
Er hob eine Braue. „Sicherlich willst du nicht, dass ich dich für feige halte?“
Lucy zuckte die Schultern. „Na schön, ich bin jetzt fertig.“ Je schneller diese Maskerade beendet war, desto besser.
„Dann komm mit.“ Michele geleitete sie über den Innenhof, durch das schmiedeeiserne Tor und den Gewölbegang. Unten an der Treppe wartete eine Gondel. Michele half Lucy beim Einsteigen, wartete, bis sie Platz genommen hatte, und kaum saß er, begab sich der Gondoliere ans Heck des Bootes und bewegte es mit seinem Ruder vorwärts. Nicht mal eine Minute dauerte es, und sie glitten über den Canal Grande.
Es war jetzt viel kühler, die Sonne schien hinter einem perlmuttfarbenen Schleier, der das Himmelsblau durchschimmern ließ und den Domkuppeln und Kirchturmspitzen etwas Schwebendes verlieh.
Venedig ist einzigartig, unvergesslich, atemberaubend mit seinen Stimmungen, dachte Lucy, als sie über das ruhige Wasser zu den pastellgetönten Marmorbauten am Ufer blickte. Seine Schönheit war zeitlos und spann zauberhafte Fäden, die einen immer wieder zurückzogen.
Dennoch wusste sie mit trostloser Gewissheit, dass sie selbst nie wiederkommen würde, wenn sie es erst verlassen hatte.
Sie verließen den Canal Grande und glitten durch ein Labyrinth ruhigerer Wasserwege. Irgendwann steuerte der Gondoliere auf einen Steg zu, über dem grün die Zweige der Weiden bis in die Wellen hingen. Michele half Lucy aus der Gondel, wobei sie das Gefühl nicht loswurde, dass er wie ein Greifvogel auf eine Reaktion von ihr lauerte.
Er führte sie zu einem gepflasterten
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