Im Palazzo sueßer Geheimnisse
Innenhof, der von einer efeubewachsenen Backsteinmauer umgeben war, an der ein Haus stand – oder eher lehnte. Es hatte eine malerisch verwunschene, verwinkelte Architektur. Auf der Veranda standen Kübel mit dicken Büscheln Lavendel, Thymian und Rosmarin. An den Wänden rankten Kletterrosen und Glyzinien bis unter das rote Pfannendach.
„Nun, Lucy?“
Völlig verzaubert und in Gedanken versunken, hatte sie gar nicht bemerkt, dass Michele sie die ganze Zeit über beobachtete. „Es ist … es sieht aus wie im Märchen.“
„Mehr fällt dir dazu nicht ein?“
„Was willst du denn, dass mir dazu einfällt?“
Er warf ihr einen bösen Blick zu und zog sie am Arm. „Komm rein.“
Das Haus wirkte verlassen, und plötzlich sträubte sie sich innerlich und erschrak. Sicher hatte er sie nicht ohne Grund hergebracht …
Lucy fröstelte, ihre Fantasie überschlug sich.
Etwas schief lächelnd nickte Michele ihr zu, als verstehe er, was in ihr vorging, legte eine Hand unter ihren Ellbogen und geleitete sie zum Haus.
Ganz ruhig, Lucy, sagte sie sich. Denk nach. Er will etwas von dir, von dem du weißt, dass du es nicht hast. Na und? Solange er dir nicht sagt, was es ist, kannst du es nicht einmal bestreiten. Aber wenn du dich in deiner Fantasie zurückhältst und abwartest, bis er sich in die Karten sehen lässt, lässt sich das Missverständnis sicher klären. Vielleicht könnt ihr euch dann ja als Freunde trennen …
Michele half ihr die Treppe zur Veranda hoch, schloss die Bogentür auf, die in das Haus führte, und ließ Lucy den Vortritt.
Sekunden später stand sie in einem holzgetäfelten Wohnraum, der mit kostbaren Antiquitäten und dennoch behaglich eingerichtet war. Auf dem Sims über dem offenen Kamin stand eine Vase mit frischen Blumen. Also musste jemand da sein.
Lucy atmete erleichtert auf.
„Die Haushälterin kommt erst heute Abend, so lange haben wir das Haus für uns“, beantwortete Michele ihren Gedanken und deutete auf einen Sessel. „Mach es dir bequem, während ich uns Kaffee koche.“ Kaum hatte er es gesagt, verschwand er nach rechts, wo es offensichtlich zur Küche ging.
Anstatt sich zu setzen, schaute Lucy sich neugierig um. Hinter dem eleganten Schreibtisch befand sich eine breite Bücherwand. Dort standen Prachtausgaben über mittelalterliche Architektur neben zeitgenössischen Romanen, Klassikern, Reise- und Abenteuerliteratur, Biografien und Gedichtbänden.
Wer immer hier auch wohnt, muss einen sehr vielseitigen Geschmack haben, stellte sie fest, als ihr Blick auf die Wandvertäfelung fiel.
Diese war kunstvoll mit kleinen Schnitzereien verziert. Sonne, Mond und Sterne waren zu erkennen, aber auch Blumen und Tiere. Gerade wollte Lucy sich die Motive etwas genauer ansehen, als Michele zurückkam.
Lucy setzte sich – allerdings nicht in den Sessel, den Michele ihr angeboten hatte – und ließ sich – zufrieden über ihren kleinen Protest – einen Capuccino von ihm reichen. Michele nahm ihr gegenüber Platz und schaute sie an.
Um sich von seinem kalten, abschätzenden Blick nicht verunsichern zu lassen, löffelte Lucy den Schaum von ihrem Cappuccino und wartete ab.
„Nun?“, fragte er.
Sie hob das Kinn. „Nun, was?“
„Weckt der Ort keine Erinnerungen in dir? Als du das letzte Mal hier warst …“
„Ich war noch nie hier.“
Müde klingend sagte Michele: „Willst du einfach nicht verstehen, dass weitere Ausflüchte sinnlos sind? Ich weiß es, Lucy. Ich weiß alles.“
„Ich wünschte, ich wüsste es auch. Aber da es nicht so ist, wirst du mir schon sagen müssen, wessen du mich verdächtigst.“
Michele stellte seine Tasse derart heftig ab, dass der Kaffee überschwappte, und sprang auf. Dabei sah er so wütend aus, dass Lucy das Schlimmste befürchtete.
Für einen Moment herrschte eine angespannte Stille, bis Michele demonstrativ die Arme vor der Brust verschränkte. „Nicht mehr lange, und du wirst mir die Wahrheit sagen, und wenn ich …“
„Und wenn du was?“, unterbrach Lucy ihn angespannt und holte tief Luft, als er schwieg. „Ich würde mich freuen, wenn du endlich deine Karten auf den Tisch legst.“
Verärgert verengte er die Augen. „Ich tat es, als ich dich hierherbrachte.“
Lucy reagierte sichtlich verzweifelt. „Aber ich weiß nicht, warum du mich hierhergebracht hast. Ich weiß nicht einmal, wessen Haus das ist“, rief sie und sprang ebenfalls auf. Jetzt stand sie Michele direkt gegenüber.
„Es ist jetzt meins.“ Seine Stimme war
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