Im Paradies der Suende
Sie richtete sich auf, wischte ihre Hände ab und warf ein paar trockene Zweige in den Steinkreis. Dann zog sie ein Feuerzeug aus der vorderen Tasche ihrer Jeans und ein Bündel Papiere aus der hinteren. Das sah nicht gut aus.
„Lou!“, schrie er.
Sie war sichtlich verärgert, als sie aufblickte. Das Papier fing gerade Feuer. Aber als er auf sie zuging, nahm ihr Gesicht sanftere Züge an. „ Das verbrenne ich nicht“, versicherte sie ihm. Doch das wusste er ohnehin schon. „Wie hast du mich gefunden?“
„Dank unseres gemeinsamen Freundes Rob.“
„Wundert mich, dass du so lange gebraucht hast…“, sagte sie und grinste.
„Wie geht‘s dir?“
„Gut.“ Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: „Einigermaßen.“
Beide beobachteten, wie das Papier verbrannte.
„Was ist das?“, fragte Mac.
Die verkohlten Blätter kräuselten sich und fielen zu Asche zusammen. Lou wartete, bis sich das Schwarz grau färbte. Dann trat sie die Glut aus, um zu verhindern, dass gefährliche Funken im Wind umher flogen.
„Hier habe ich mit Julian gelebt“, erklärte sie, „hier habe ich seine Asche verstreut.“ Mit einer Stiefelspitze stocherte sie in den verrußten Zweigen. „Und jetzt habe ich hier die Beweise für seine Untreue verbrannt. Während unserer ganzen Ehe hatte er eine Affäre. Ich habe das nicht gewusst. Er mochte Papier, darum druckte er all seine E-Mails aus und bewahrte sie auf. Diese da fand ich im Futter seiner Reisetasche, die ich nach England mitgenommen hatte. Das war kurz vor meinem Rückflug, als ich ins Pförtnerhaus ging, um zu telefonieren.“
„Leidenschaft und Unbeständigkeit“, sagte Mac. Nun verstand er, warum sie so verzweifelt gewesen und geflüchtet war.
„Genau“, bestätigte sie. „Ich vermute, du hast unser Papierfragment gefunden.“
„Ja, nach etlichen Wutanfällen und den wildesten Spekulationen. Anfangs dachte ich, du hättest historische Beweismittel vernichtet. Ich war sicher, dass du mir mein Herz gebrochen, meine Karriere ruiniert und mich um die Früchte meiner Arbeit gebracht hast.“
„Das nehme ich dir nicht übel.“
Unsicher griff er in seine Jackentasche. „Keine Ahnung, ob du das zurückhaben willst.“ Er reichte ihr die Goldkette mit dem Rubin.
Lou ließ das Schmuckstück durch ihre Fingern gleiten. „Was für ein schöner Stein. Aber ich weiß nicht, ob ich ihn jemals wieder tragen möchte. Würdest du ihn deiner Tochter schenken, wenn sie erwachsen ist? Falls es dir nichts ausmacht, dass sie etwas besitzt, an dem traurige Erinnerungen hängen.“
„Nach meiner Ansicht hängt es von der Person ab, die ein Schmuckstück trägt, welche Assoziationen es erweckt.“ Weil er fürchtete, sie würde seinen Vorschlag ablehnen, zögerte er: „Warum gibst du ihr den Rubin nicht selbst, wenn du sie kennen lernst? Das heißt - wenn du es willst…“
Sie lächelte und schaute ihn nachdenklich an. „Danke. Das würde ich sehr gern tun.“
Dann steckte sie den Schmuck in die Brusttasche ihres Hemds und nahm endlich seine Hand.
Erleichtert zog er sie an sich. „Ich wusste, du warst unglücklich und durcheinander. Aber ich konnte einfach nicht glauben, dass du Originaldokumente von Jane Austen zerstören würdest. Ich wusste auch, du würdest nur Peter und Chris davon erzählen, wenn überhaupt jemandem. Offenbar hast du das nicht getan. Also habe ich mich auf die beinahe aussichtslose Suche nach einem Museumsarchiv gemacht, das nach Aussage unserer beiden Restaurateure wie das Pentagon bewacht wird. Aber je länger ich darüber nachdachte, desto überzeugter war ich, dass du das Rattennest schützen würdest …“
„Oh, bitte, nenn es nicht so.“
„Okay, dann eben Jane Austens Rattennest. Welches Versteck wäre besser als der Fundort? Früher oder später würde es irgendjemand dort entdecken. Und nachdem es zwei Jahrhunderte lang sicher unter dem Bodenbrett lag, war es da auch weiter gut aufgehoben.“
Lou nickte. „Nachdem ich die Wahrheit über Julian herausgefunden hatte, brachte ich es zusammen mit dem Rubin dorthin zurück. Die Hausbewohner schliefen schon, und Jon und Simon waren verreist.“
„Dort liegt es immer noch, in Sicherheit. Was jetzt, Lou? Peter und Chris denken, sie werden den staatlichen Zuschuss für das wissenschaftliche Zentrum erhalten. Sie haben dir schon ein Stellenangebot gemailt.“
„Aha.“ Das klang nicht halb so begeistert, wie er es erwartet hatte.
„Oh je, jetzt machst du wieder dieses
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