Im Paradies der Suende
Biergläser auf die Theke, an deren Seiten Schaum herunter lief, und legte das Wechselgeld daneben.
„Ich studiere Modedesign und habe gerade mein erstes Jahr an der ‚London School of Fashion‘ beendet“, fuhr Di fort. „Ich hoffe, dass ich in dem Job ein paar nützliche Sachen lernen kann. Ich bessere die Kostüme der Damen aus und helfe ihnen beim Anziehen.“
„Cool.“ Rob schaute sie etwas genauer an. Sie war hübsch. Er sah braune Augen, kastanienbraunes Haar mit helleren Strähnen, ein kurzes Sommerkleid, High Heels von der Sorte, die beim Gehen laut klackerten, lange, nackte Beine. „Ich bin ein Lakai.“
„Sicher sind diese zwei schwulen Typen scharf auf dich. Aber sie scheinen okay zu sein.“
Er zuckte mit den Achseln. „Dann sehen wir uns ja morgen.“
„Klar. Jetzt muss ich wieder zu meinen Freundinnen gehen.“ Sie drehte ihren Kopf in Richtung einiger Mädchen, die in einer Ecke des Lokals lachten. Wie Di waren sie attraktiv und sexy. In ihrer Nähe hingen ein paar Jungs herum und spielten Darts. Immer wieder warfen sie den Mädchen Blicke zu, trauten sich aber nicht, sie anzusprechen.
„Du bist jetzt also ein feiner Pinkel“, sagte Baz. Inzwischen hatte das Gedränge an der Theke nachgelassen.
„Wie kommst du darauf?“, fragte Rob.
„Cambridge.“
„Deshalb bin ich nicht vornehm.“
„Zahlen die gut in dem alten Haus?“
„Nicht schlecht“, erwiderte Rob. Die zahlten sogar außergewöhnlich gut. Doch das wollte er Baz nicht auf die Nase binden.
„Ein paar Mal waren diese Tunten schon hier.“
„Die sind in Ordnung.“
„Stell dich immer mit dem Rücken zur Wand, mein Junge.“ Baz zwinkerte Rob zu. Dann wischte er die Theke ab, ging wieder ans andere Ende der Bar und beteiligte sich an einer leidenschaftlichen Diskussion über Fußball.
Rob trank sein Glas leer und schaute zu Di hinüber. Während sie mit ihren Freundinnen kicherte, strich sie ihr Haar nach hinten. Ihre Armreifen glitten klirrend über ihre Haut. Als sie sich in ihrem Stuhl zurück lehnte, rutschte ihr Rock hoch. Sie hatte fantastische Beine. Er war nicht der einzige, der sie anstarrte. Die männlichen Gäste rückten langsam näher. Wie hungrige Wölfe, die sich an eine Schafherde heranpirschten. Ähnliche Szenen sah man manchmal in Natursendungen im Fernsehen.
Nur ungern verließ Rob die warme, freundliche Atmosphäre des Pubs. Dort gefiel es ihm auch, weil ihn fast niemand kannte. Hoffentlich schlief sein Dad schon, wenn er im Haus seiner Schwester ankam. Vielleicht hatte er sich auch wieder bis zur Bewusstlosigkeit betrunken, so wie in den vergangenen Nächten. Rob radelte am Dorfplatz vorbei und bog in die schmale Straße ein, die zur Siedlung führte, wo sich die Wohnungen für die sozial Schwächeren befanden.
Natürlich verstand er, dass seine Mum wütend auf Dad war, weil er wegen seines Geschäfts und der Hypotheken auf ihr Haus gelogen hatte. Aber wie konnte die Frau so blauäugig sein, wenn es um die Familienfinanzen ging? Mit so einer Scheiße würde ihn jemand wie Di nicht davonkommen lassen. Spontan lenkte er das Fahrrad auf den Grünstreifen am Straßenrand und tippte die Nummer seiner Mutter ins Handy.
Keine Antwort.
Du blöde Kuh, dachte er, du verdammtes, egoistisches Biest. Ohne eine Nachricht zu hinterlassen, drückte er die Austaste. Dann nahm er den Fußball aus seinem Rucksack und schleuderte ihn über eine Hecke in die Dunkelheit. Ein Fußball allein würde auch nichts daran ändern, dass sein kleiner Bruder Graham den ganzen Tag weinte und nachts wieder ins Bett machte.
Einzig Mums Rückkehr könnte Graham wieder glücklich machen. Aber offenbar hatte sie ihre Familie für immer verlassen.
Lou
Die Zeitverschiebung war schuld daran, dass Lou alles unwirklich und wie in Nebel verhüllt erschien. Gleichzeitig schärfte der Jetlag ihre Sinne. Die Sonne schien hier in England viel heller zu strahlen, und der Kies knirschte ohrenbetäubend unter den Reifen, als die Limousine vor einem imposanten schmiedeeisernen Tor hielt.
„Schönen Urlaub, Miss.“
Sie suchte in ihrer Brieftasche nach Trinkgeld und sah unsicher die fremden Scheine an. Aber bevor sie ihm ein paar Pfundnoten geben konnte, war der Chauffeur schon davongefahren.
Die Tür des steinernen Hauses wurde geöffnet, und eine Frau trat heraus. Ihre Lippen waren so grell geschminkt, dass sie in dem blassen Gesicht wie eine Wunde wirkten. Ihr kurzes, pechschwarzes Haar bildete einen harten Kontrast zu ihrem
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