Im Pfahlbau
Reiher standen unbeweglich lauernd im Seichten; ab und zu stieß einer den spitzen Schnabel ins Wasser. Sie fischten. Das Federvolk des Heimlichen Grunds hatte aus der Welt da draußen Zuzug erhalten, der neuentstandene See hatte die darüberstreichenden Wandervögel angelockt. Erst als Peter ins Wasser watete und aus den kreuz und quer gestauten Hölzern Jungstämme zu ziehen begann, erhoben sich die Reiher und ließen sich auf den Bäumen am Waldrand nieder. Enten und Bläßhühner aber blieben.
Peter stieg von Baumstamm zu Baumstamm, brach da ein Aststück ab, zerrte dort ein Jungstämmchen hervor und warf es Eva zu. Kühner werdend, drang er zum äußeren Teil der Trift vor, wo sich, vom tieferen Wasser getragen, einzelne Stämme wiegten. Das schwimmende Holz reizte ihn; er konnte nicht mehr widerstehen und setzte sich rittlings auf das Stammstück einer Fichte, die vom Waldbrand entästet worden war. Es tauchte unter seiner Last tiefer, rollte nach links herum und warf ihn ab. Eva schrie entsetzt auf. Geistesgegenwärtig griff Peter ins Geäst eines anderen Baumes und setzte sich darin fest. Langsam trug die Strömung ihm den angekohlten Stamm wieder zu. Peter brach sich zwei lange, handgerechte Stangen und setzte sich wieder rittlings auf das widerspenstige Stammstück.
Tastend ließ er die Stangen bis zum Grunde niedergleiten und spürte, daß sie nicht mehr auf Lehm stießen, sondern bereits auf den Schotter des Steinfeldes. Eva beobachtete sein Tun mit steigender Angst. Jetzt wendete er den Baum. Erst langsam und schwankend, dann schneller und sicherer fuhr er dahin, und jauchzend vor Freude durchquerte er die seichte Bucht fast bis zum Sonnstein. Durch die Strömung des tieferen Klammbachs wagte er sich nicht. Bei der Rückfahrt schoß er schon tollkühn dahin und ließ seinen Fahrbaum auf der Lehmböschung des Ufers auflaufen. Kaum hatte er das Fahrzeug festgemacht, eilte er in sein Zelt, wo er sich, zähneklappernd vor Kälte, im Moos des Lagers vergrub.
Eva aber schleppte mühsam das Deckholz zu ihrer Erdstube, legte es auf und versah es mit einer schräg nach vorn abfallenden Schicht aus Schilf, Reisern, Rasenstücken und Steinen. Todmüde kam sie gegen Abend zu Peters Zelt und wollte Glut für ihre neue Feuerstelle holen, doch sie fand es leer.
Wartend schürte sie das Feuer. Da kam er schon vergnügtvom Fischplatz und trug an einem Stock aufgefädelt vier schöne Forellen und ein braunes Tier von Katzengröße: den Fischotter, in dessen Nacken noch der Pfeil steckte. Evas Entzücken über das glänzende Fell, ihr Staunen über die Schwimmhäute des schlanken Räubers, ihre unverhohlene Bewunderung für den Jäger machten Peter stolz. Und als Eva von ihrer Erdstube anfing und Peter für den guten Einfall dankte, nahm er diesen unverdienten Dank nicht nur an, sondern schmückte seinen nicht gehabten Einfall sogar kräftig aus. Einträchtig saßen sie beieinander und waren sich nicht bewußt, daß der Gier nach dem Gold die Lüge gefolgt war.
Schlangen in der Erdstube
Am nächsten Tag schleppten Peter und Eva ihre ganze Habe aus den Baumnestern ins Zelt und in die Erdstube. Der Speer, der bald als Waffe, bald als Bergstock diente und seit der Höhlenflucht als Zeitmesser auch die eingeritzten Tagmarken aufwies, ruhte jetzt als Tragstock auf den Schultern der beiden hintereinander Schreitenden. Er bog sich unter der Last der Vorräte, die nur wenig leichter waren als beim Auszug aus den Höhlen. Peter, der vorausging, hatte hinter dem Gürtel ein altes Steinbeil, und Eva trug den Feuerkorb, auf dessen Glut sie vermodertes Laub und Gras gelegt hatte; das gab einen dicken Qualm, der die Bären, an deren Höhlen sie vorübermußten, abhalten sollte. Als sie an der Moorbachquelle rasteten, schmückte Eva wie in sorglosen Zeiten ihr Stirnband mit Blumen. Mit Freude stellte sie fest, daß die Erdbeerstauden reichlich angesetzt hatten. Plötzlich fielen ihr die Heiligtümer ein – die waren ja noch in derHöhle! Doch Peter sagte rauh: »Deswegen gehen wir nicht zurück. Überhaupt sind sie dort besser aufg'hoben als am Moorbach.« Er mochte nicht an den Ort erinnert werden, wo seine durchlochte Steinaxt lag, eine Weihgabe, die er noch nicht verschmerzt hatte.
Eva begann, das neue Heim einzurichten. Sie war bedrückt. Selbstvorwürfe und bange Ahnungen quälten sie. Das war kein Wunder; denn war die neue Wohnung sicher, barg sie nicht unbekannte Gefahren? Die Sonnenscheibe war nicht mehr bei ihnen –
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