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Im Pfahlbau

Im Pfahlbau

Titel: Im Pfahlbau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alois Theodor Sonnleitner
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wer sollte sie beschirmen, wenn Unheil drohte? Eva beschloß, bald, so bald als möglich eine Kostbarkeit, ein Goldopfer im Heiligtum niederzulegen.
    Peter, der seine Zeit zwischen Fischfang, Holzholen und Goldsuchen teilte, wollte verhindern, daß Eva ihm nachgehe. Er brachte ihr einen grob zugehauenen Serpentinkeil, gab ihr das Bohrzeug, eine Bocksblase voll feingeschlagener Quarzsplitter und verlangte barsch, sie solle ihm das Steinbeil durchlochen; ja, er legte ihr zum Schleifen auch schon den Sandsteinblock hin. Widerwillig fügte sie sich. Sooft sie Peter fern wußte, verließ sie die aufgezwungene Arbeit und ging ihren eigenen Aufgaben und Sammelgelüsten nach. Als erstes lagerte sie ein Bündel Schößlinge von Weiden, Erlen und Hartriegel im Moorbach ein, sie brauchte neuen Bast, um ihre schadhaft gewordene Kleidung zu ersetzen; sie schleppte Stangenholz herbei, um ihre Erdstube nach vorn abzuschließen; dann aber machte sie verstohlen Grabversuche im Bachbett. Im Traum hatte sie dort kopfgroße Goldklumpen gefunden. So klein ihre Ausbeute war, sie gab die Hoffnung nicht auf und barg ihre Schätze – recht schlau, wie sie glaubte – auch unter ihrer Liegestatt; sie wußte nicht, daß Peter ein ähnliches Versteck hatte.
    Schon reiften die Erdbeeren, und Evas Ahnungen schienen sich als grundlos zu erweisen. Ihr neues Heim, in demjedes Gerät seinen Platz hatte, gefiel ihr um so besser, je mehr angenehme Nachbarn sie kennenlernte: drüben im Weißdornbusch ein Zaunkönigspärchen, mit seiner Geschäftigkeit und dem überlauten Singsang, der wie ein Tonwunder aus den winzigen Kehlen drang; in einer Astgabel des Haselnußstrauches dicht daneben bauten Zwergmäuse an ihrem kugelrunden Nest. Eva konnte sich an dem entzückenden Treiben der rotbraunen, weißbäuchigen Flechtkünstler nicht sattsehen, wie sie mit zierlichen Pfoten und Nagezähnen die Grashalme darunter und darüber schoben und mit klugen Äuglein das zusehends wachsende Werk von allen Seiten beguckten.
    Den schönen Frühlingstagen folgte anhaltendes Regenwetter; eintönig trommelten die Tropfen auf das Schilfdach. So dicht auch die Balken mit Reisig, Moos und Blättern belegt waren, schließlich konnte die Decke den Regen nicht mehr abhalten.
    Das Wasser rann an den sandigen Seitenwänden der Stube nieder. Eva entschloß sich, durch dicht nebeneinander eingerammte und der Quere nach verflochtene Stäbe, an denen ein Lehmbelag halten konnte, die Sandwände vor dem Niedergehen zu sichern. Das abschüssige Dachbedeckte sie dick mit Schilf und legte Steine darauf, damit das Regenwasser durch die abwärts gekehrten Rispen besser abfließen konnte. Den oberen Rand des Daches und das abstehende Erdreich deckte sie fugenlos mit Rasenflözen.
    Den Stubenboden belegte sie mit einem zähen Brei aus nassem Gras und Lehm und deckte knöchelhoch trockenes Laub darüber. Dann führte sie gegen den Bach zu eine kniehohe Schutzmauer aus Steinen auf, deren Fugen sie mit Moos und Lehm abdichtete. Mit einem Weidengeflecht verschloß sie den Eingang bis auf eine schmale Öffnung. Über der mit Fellen verhängten Gittertür ließ sie eine Lücke, durch die der Rauch abziehen und Luft und Licht herein konnten.
    Je wärmer die Tage wurden, um so unangenehmer machten sich allerlei Nachteile der Erdwohnung bemerkbar. Zecken, Asseln, Skorpione und anderes Ungeziefer stellten sich ein. Vom nahen Moor kamen ganze Wolken von Stechmücken, die besonders abends, wenn das Feuer niedergebrannt war, zur Plage wurden. Peter ging es in seinem Zelt etwas besser; ihn machte die schwere Arbeit an der Trift, wo er Tag für Tag Holz ins Trockene schleppte, so müde, daß er im Schlaf die Stiche gar nicht spürte. Ein weiterer Schutz mochte auch seine rußverschmierte Haut und die streng nach Rauch riechende Fellkleidung sein.
    Eva aber litt sehr. Das hohe, aufdringliche Sirren der fliegenden Quälgeister ließ sie lange nicht einschlafen. Es war in der Nacht vor der Sommersonnenwende, als sie sich Selbstvorwürfe darüber machte, daß sie beide seit dem Verlassen der Heiligtümer die gemeinsamen Andachten vernachlässigt hatten. Sie warf sich vor, daß sie Peter wieder verwahrlosen ließ, der vor lauter Arbeit gar nicht dazu kam, sich seiner guten Vorsätze zu erinnern. Die vom Rauch gebeizten Augen auf das niedergebrannte Feuer gerichtet, lauschte sie dem Murmeln des Baches und dengeheimnisvollen Lauten des Waldes. Da hörte sie im Dachgestänge ein leises Knistern. Sie hob den Blick

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