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Im Pfahlbau

Im Pfahlbau

Titel: Im Pfahlbau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alois Theodor Sonnleitner
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band sie an einen frei schwebenden Querstab, beschwerte ihn links und rechts durch angehängte faustgroße Steine, so daß alle Fäden die gleiche Spannung bekamen. Nun galt es, abwechselnd die braunen und die grauen Fäden zu heben und zu senken, damit von ihnen die durchgezogenen Querfäden überkreuzt würden. Nachdenklich betrachtete sie einen der abgelegten Zinkenstäbe, die anfangs so gute Dienste getan hatten. Da kam ihr blitzartig der Gedanke: Wie, wenn ein dicker Rundstab an zwei gegenüberliegenden Seiten kammartig eingekerbt würde, eine Kerbe flach, die nächste tief und so fort, soweit es für die Breite desGewebes nötig war? Auf der anderen Seite des Stabes müßte jeder tiefen Kerbe hüben eine flache Kerbe drüben gegenüberstehen und umgekehrt. Lag dann der Stab so unter beiden Fadenreihen, daß alle grauen Fäden in den flachen Kerben waren und alle braunen in den tiefen, so mußte oberhalb des Kerbstabes die Webnadel den Querfaden so durchführen, daß alle grauen Längsfäden über ihm, alle braunen unter ihm lagen. Wenn dann der Kerbstab gedreht wurde, gerieten die grauen Fäden in die tiefen und die braunen in die flachen Kerben, und der Querfaden konnte unter ihren Kreuzungen in umgekehrter Richtung durchgeführt werden. Freilich war es nötig, von jeder tiefen Kerbe zu jeder flachen rund um den Stab eine Führungsrinne zu machen, damit jeder Faden seine Richtung behielt. Mit einer Hartsteinsäge begann sie, einen dreifingerdicken Prügel einzukerben. Nach zweitägiger Arbeit hatte sie fünf Paar Kerben fertig und mit Rillen verbunden. Als sie den Kerbstab unter die gespannten Längsfäden auf die Ständer des Webstuhls legte, stellte sie befriedigt fest, daß die von den Gewichten gespannten Fäden den Stab fest an die Ständer drückten, so daß er nicht rutschte. An der rauhen Seite der Kerben aber rieben sich die Fäden so stark, daß sich der Stab kaum drehen ließ. Da wärmte sie Wachs über der Herdflamme an und ließ es in die Kerben tropfen. Wieder versuchte sie, den Stab unter den Fäden zu drehen, und siehe da – die grauen glitten richtig aus den tiefen in dieflachen, die braunen aus den flachen in die tiefen Kerben. Da jubelte sie auf: »Es geht! Es geht!«
    »Was geht?« fragte eine rauhe Stimme von draußen. Im nächsten Augenblick stand Peter in der Stube.
    Aufgeregt erklärte Eva ihre Erfindung.
    »Das hast du gut ausgetüftelt«, gab er zu, aber schon kam er mit einem Einwand: »Wenn die Kerben so weit voneinander entfernt sind, geht's ja, aber eine dichtere Weberei bringst du nicht fertig!«
    »Ich hab's ja nur probiert. Jetzt wart' nur, jetzt mach' ich erst die richtige Walze, da werden die Fäden nicht viel weiter voneinander entfernt sein, als jeder Faden dick ist.«
    Peter tat einen langen Pfiff. »Meinst? Wie denn? Mit Steinbohrern und Steinsägen geht's nicht. Der Kerbstab würde zerbrechen, bevor er fertig war'! Was bleibt noch vom festen Holz übrig, wenn du ihn von allen Seiten so grob zerkerbst?«
    Eva machte ein langes Gesicht.
    Da tröstete Peter sie: »Laß mich nur machen. Ich nehme Sägen und Bohrnadeln aus Rotzeug oder Braunzeug. Wirst seh'n, genau so wie du dir's ausdenkt hast, mach' ich dir die Kerbwalze.«
    »Bald?« fragte Eva.
    »Wenn's so weiterregnet, wirst du nicht lange warten müssen.« Damit ging er.
    Jetzt machte sich Eva daran, einen Vorrat von Webfäden anzufertigen. Die Büschel glänzender Nesselfasern wären zum Weben brauchbar gewesen, leider waren sie zu kurz. Eva versuchte, durch Zwirbeln der Fasern zwischen den Fingern längere Fäden zu bekommen, aber der Faden war ungleichmäßig, und es ging auch zu langsam. Wohl hatte sie der Ahnl oft zugesehen, wie diese mit der linken Hand den Flachs vom Rocken zog und mit der rechten die Spindel tanzen ließ, hatte aber damals zu wenig auf diese Dingegeachtet. So blieb ihr denn nichts anderes übrig, als erst ein Spielzeug nachzumachen, das ihr einst der Ähnl angefertigt hatte, und es damit zu versuchen. Er hatte durch die Mitte eines alten Hirschhornknopfes ein Stäbchen gesteckt und es durch Drehen zwischen Daumen und Zeigefinger zum Kreiseln gebracht.
    Sie wählte ein spannenlanges, unterhalb der Mitte verdicktes Holzstäbchen, härtete dessen Spitzen im Feuer und steckte es durch eine plumpe Scheibe aus Speckstein, so groß wie ein Handteller. Und bald gelang es ihr, die Spindel mit dem schweren Wirtel zum Kreiseln zu bringen; aber es wollte ihr nicht gelingen, den Faden so rasch fertig zu

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