Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Rachen des Alligators

Im Rachen des Alligators

Titel: Im Rachen des Alligators Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Moore
Vom Netzwerk:
begann er mich wieder anzuschreien. Dass ich total bescheuert sei.
    Ich sagte: Aber da waren doch nirgends Alligatoren. Da waren keine, schrie ich ihn an, und auch ich heulte, und als ich sagte, da waren nirgends Alligatoren, schlug etwas gegen die Seite des Bootes.
    Das Aluminium dröhnte wie ein Gong, und in der drückenden Schwüle des Sumpfes hallten die Schwingungen des Aluminiums nach, es hielt ewig an.
    Verschwinde von meiner Farm, schrie Loyola. Ich sagte, ja, mach ich. Er sagte: Verschwinde von meiner Farm, und ich versprach es ihm. Hau ab, sagte er. Ich sagte: Ja, versprochen. Je schneller, desto besser, sagte er. Er hatte den Arm stocksteif ausgestreckt, sein Ärmel war klatschnass, und er wies durch den Sumpf in Richtung der Farm, doch ich konnte nichts sehen außer Bäumen und moosgrünem Wasser und Algen. Wäre ich dir doch nie begegnet, sagte er. Ich sagte ihm, ich würde gehen. Keine Sorge, ich gehe. Und ich sagte, es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid. Aber er setzte sich nur hin, mit dem Rücken zu mir, und ließ ewig lang den Motor nicht an.

Frank
    Die Tür des Raums, in dem er sich befand, wurde aufgerissen, und Valentin stand da.
    Wo bin ich?, fragte er. Valentin zerrte ihn aus der Koje und schlug ihm ins Gesicht, und Frank spürte, wie sein Kiefer brach. Er hörte den Knochen brechen, es war ein Geräusch in seinem Kopf. Er versuchte seinen Kiefer in die richtige Stellung zu bringen, sodass die oberen Zähne über den unteren waren, aber es ging nicht. Es schien pedantisch, unter diesen Umständen darauf zu bestehen, dass sein Gebiss richtig ausgerichtet war. Ihm war bewusst, dass er hier einen kleinen privaten Disput mit seinen Zähnen inmitten einer größeren Auseinandersetzung führte, aus der er vermutlich tot hervorgehen würde.
    Damit du das Maul hältst, sagte Valentin. Frank steckte etwas in der Kehle, er hustete es aus, es war ein Zahn. Dann schlug ihm Valentin in den Magen, Frank fiel gegen die Wand, Valentin trat nach seinem Kopf, und Frank wurde ohnmächtig.
    Stunden später kam Frank wieder zu sich, er konzentrierte sich auf die Koje, aus der er gezerrt worden war. Er dachte, er könnte sich hinaufhieven, bekam sogar die Decke zu fassen und versuchte mit aller Kraft, sich hochzuziehen, doch Decke und Kissen rutschten herunter und fielen auf ihn. Er entschied, das müsse langen, denn er konnte sich nicht vom Fleck bewegen.
    Er lag da und horchte und wünschte, er könnte einschlafen oder sterben, und dann hörte er etwas, das klang wie eine Ratte, die auf dem hölzernen Bord über seinem Kopf herumlief. Er hörte das Getrippel kleiner Pfoten, dann Stille, dann wieder das Getrippel kleiner Pfoten, und es klang, als überlegte da eine Ratte, wo sie als nächstes hinsollte, wo sie wohl etwas zu fressen finden würde, was, wie Frank entschied, unmöglich war. Er entschied, dass es unmöglich war, dass sich eine Ratte im Raum befand, und schlief ein.

Carol
    Sie räumte für die Polizisten ihr Zimmer auf und kochte eine Kanne Tee, doch sie kamen mit Kaffeebechern von Tim Hortons. Einer der Beamten war schon einmal dagewesen, nach dem Selbstmord des Inuit, und Carol sagte, sie erinnere sich an ihn, sie hätten gute Arbeit geleistet damals, das sei eine wahre Tragödie gewesen, und sie habe seither kein gutes Gefühl mehr, was dieses Haus angehe.
    Sie klopfte auf die Couch, auf der ein selbstgehäkelter Überwurf aus orangefarbenem und lindgrünem Phentex-Garn lag, einer der Beamten setzte sich, und dann erzählte sie von Franks Hotdog-Stand.
    Nach dem Jungen konnte man die Uhr stellen, sagte sie. Da ist irgendetwas Schreckliches passiert, das weiß ich.
    Die Polizisten könnten ja mal bei den Taxifahrern in der George Street nachfragen, wenn sie wollten, denn Franks Hotdog-Stand sei eine feste Institution gewesen. Gestern Abend sei sie selbst hingegangen, und vorgestern auch schon, aber da stehe kein Hotdog-Stand mehr an der Ecke, und von Frank keine Spur. Sie erzählte, dass Franks Zimmer verwüstet worden sei und er ihr verboten habe, es bei der Polizei zu melden. Er habe gemeint, es sei gefährlich für sie beide, wenn die Polizei da ins Spiel komme. Und Valentin aus dem dritten Stock sei verschwunden, und der andere Russe, der manchmal bei ihm übernachtet habe, auch, das ganze Gebäude sei still wie ein Grab.
    Die Polizisten gingen nach oben und klopften an beide Türen, doch es kam keine Reaktion. Sie verließen das Haus, und als sie nach ein paar Stunden wiederkamen,

Weitere Kostenlose Bücher