Im Rausch der Dunkelheit - Guardians of Eternity 5
meine natürlich, dein Versteck. Es ist so viel einfacher, sich die Welt per MTV und You Tube anzusehen, oder, Meister?«
Bei ihrer Anschuldigung ballte er die Hände zu Fäusten und weigerte sich, über die bittere Wahrheit in ihren Worten nachzudenken.
»Kehre zu Styx zurück, Regan. Er wird imstande sein, Culligan aufzuspüren.«
»Ich brauche ihn nicht, um Culligan aufzuspüren, und auch keinen anderen«, brachte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich habe ihn schon gefunden.«
Die Abwehrmechanismen, die aufzubauen er sich bemüht hatte, zerbrachen, als Jagr seinen Kopf herumriss, um sie mit einem schockierten Blick zu durchbohren.
»Wie bitte?«
Ihre Augen blitzten, als sei sie erfreut über seine heftige Reaktion. »Was glaubst du wohl, wo ich das hübsche kleine Amulett herhabe?« Abrupt zog sie die Augenbrauen zusammen. »Ich darf hinzufügen, dass dieses Amulett von deinem Freund Tane konfisziert wurde, bevor er mich nach hier unten gelassen hat.«
Jagr schüttelte den Kopf. Später würde er Tane danken, da dieser dafür gesorgt hatte, dass Regan sich nicht unerwartet an ihn heranschleichen konnte, aber vorerst konnte er an nichts
anderes denken als an die Erkenntnis, dass sie den Kobold gefunden hatte, der sie dreißig Jahre lang gefoltert hatte.
»Ist er tot?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Er war noch am Leben, als ich die Blockhütte verlassen habe, aber seine Chancen, die Nacht zu überleben, liegen ungefähr bei null, sobald die Wolfstölen merken, dass er nicht nur ein jämmerlicher Kobold ist, sondern auch ein jämmerlicher Köder.«
Jagr trat auf sie zu, wobei seine bloßen Füße in den dicken Teppich einsanken und sein feuchter Zopf über seinen Rücken streifte. Er bemerkte es nicht, da er vollkommen von der winzigen Frau erfüllt war, die am Ende des Bettes saß.
»Du fandest den Kobold und … gingst fort?«
»Ich hatte anderes im Kopf, wie ich dir schon mehr als einmal gesagt habe«, erwiderte sie.
Jagr runzelte die Stirn. Sie legte ein Verhalten an den Tag, als sei die Tatsache, dass sie den Dämon gefunden hatte, der für ihr jahrelanges Elend verantwortlich war – einen Dämon, den zu töten sie ihr Leben riskiert hatte –, nichts weiter als eine bedeutungslose Begegnung gewesen.
»Verdammt, Regan, du hast dein gesamtes Leben gewartet, um Rache zu nehmen!«
Der Smaragdblick flackerte zu keiner Zeit. »Das ist mir sehr klar.«
»Weshalb übtest du dann keine Rache?«
»Das habe ich dir doch gesagt.«
Jagr knurrte tief in der Kehle, als er ihren störrischen Gesichtsausdruck studierte.
Also war es offiziell.
Diese Frau würde ihm irgendwann den Rest geben.
»Der Drang, mich zu finden, kann doch nicht das Einzige gewesen sein, meine Kleine.« Er verschränkte die Arme vor der
Brust und weigerte sich nachzugeben. Er verstand nicht, weshalb er es unbedingt wissen musste. Nur, dass es so war. »Ihn zu töten hätte weniger als einen Herzschlag gedauert. Sage mir die Wahrheit.«
Sie erhob sich unvermittelt und stand nun so dicht vor ihm, dass sein gesamter Körper in süße Jasminhitze gehüllt wurde.
»Ich weiß es einfach nicht«, stieß sie heiser hervor. »Ich nehme an, einer der Gründe war, dass er so unglaublich erbärmlich aussah, als er in dieser Blockhütte angekettet war. So viele Jahre lang war er mein persönlicher Albtraum gewesen. Er hat mich so lange so brutal behandelt, dass ich irgendwann angefangen habe, ihn als unbesiegbar anzusehen.« Sie schüttelte verwundert den Kopf. »Aber dann habe ich ihn so gesehen, wie er wirklich ist. Als schwachen, feigen Idioten, der durch die Abwasserkanäle gekrochen ist, weil er nicht das Talent oder das Rückgrat hatte, ein anständiger Mann zu sein. Er war die Anstrengung, ihn zu töten, einfach nicht wert.«
Jagr erzitterte vor Verlangen danach, Regan in seine Arme zu ziehen, als ihre Augen sich verdunkelten und eine Verletzlichkeit erkennen ließen, die ihn bis in sein Innerstes erschütterte.
Dies war mehr als Lust. Mehr als das instinktive Bedürfnis, sie zu beschützen.
Dies war …
Götter, er wusste nicht, wie er es nennen sollte.
Er wusste nur, dass es so tief in ihm vergraben gewesen war, dass er sich nie davon würde befreien können.
»Und was gab es noch für einen Grund?«, fragte er mit rauer Stimme.
»Mir wurde klar, dass ich ihn nicht umbringen muss.« Sie breitete die Arme aus. »Die Ketten sind schon weg.«
Verschiedene Gefühle lagen in ihm im Widerstreit.
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