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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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wichtig. Insofern war es nicht verwunderlich, dass sie in ihrer Angst, ihr Mann könnte ihr untreu sein, sich sagte, dass er sittlich schwach sei, und, von Trost in rechtschaffeneren Armen träumend, einer inneren Stimme zu flüstern gestattete: »Wäre er doch nur ein Mann wie Gouverneur Stuyvesant!«
    »Es sind schwierige Zeiten, Greet.« Stuyvesants Miene verriet keine Traurigkeit, aber Margaretha hörte sie aus seiner Stimme heraus. »Sie wissen, dass ich Feinde habe.«
    Er vertraute sich ihr an. Sie spürte ein kleines Aufwallen von Rührung. Sie hätte ihm am liebsten die Hand auf den Arm gelegt, aber sie wagte es nicht.
    »Diese verfluchten Engländer.«
    Sie nickte. Wenn sich das Handelsimperium der Niederländer auch von Niederländisch-Indien bis nach Amerika erstreckte, lagen die englischen Kaufleute doch nicht weit zurück. Gelegentlich schlossen sich die beiden protestantischen Länder gegen ihre gemeinsamen Feinde zusammen, die katholischen Königreiche Spanien und Portugal; meistens aber waren sie Rivalen. Fünfzehn Jahre zuvor, als König Karl von England durch Oliver Cromwell und seine gottesfürchtige Armee entthront – und enthauptet – worden war, hatte sich die Rivalität verschärft. Die Niederländer trieben einen lukrativen Sklavenhandel zwischen Afrika und der Karibik. Cromwells Mission war klar. »Der Sklavenhandel muss England gehören.«
    Viele ehrliche Niederländer fragten sich, ob dieser brutale Menschenhandel moralisch vertretbar sei; die guten englischen Puritaner kannten keinerlei derartige Bedenken. Und schon bald hatte Cromwell den Spaniern Jamaika abgejagt, um es als Stützpunkt für den Sklavenhandel zu nutzen. Auch als Cromwell vor nunmehr sechs Jahren gestorben war und zwei Jahre später ein zweiter König Karl den englischen Thron bestiegen hatte, war diese Politik unverändert fortgeführt worden. Schon hatte Neu-Amsterdam die Nachricht erreicht, dass die Engländer die niederländischen Sklavenhäfen an der Küste von Guinea angriffen. Und über den Ozean ging das Gerücht, dass sie den Niederlanden nicht nur den Sklavenhandel, sondern auch ihre Hafenstadt Neu-Amsterdam abnehmen wollten.
    Groß war Neu-Amsterdam zwar nicht: ein Fort, ein paar Windmühlen, eine Kirche mit einem spitzen Turm; es gab eine Gracht – nun, ja eigentlich eher ein überbreiter Straßengraben – und ein paar von spitzgiebligen Häusern gesäumte Straßen, die zusammen mit ein paar bescheidenen Gemüse- und Blumengärten von einem Wall beschirmt wurden, der in west-östlicher Richtung über den Südzipfel Manhattans verlief. Doch es hatte eine Geschichte. Zehn Jahre, bevor die Mayflower auch nur in See gestochen war, hatte die Niederländische Westindien-Kompanie den Wert des großen natürlichen Hafens erkannt und dort einen Handelsposten gegründet. Und jetzt, nach einem halben Jahrhundert stockender Entwicklung, war daraus ein blühendes Hafenstädtchen geworden, zu dem etliche in einem Umkreis von mehreren Dutzend Meilen verstreute Außensiedlungen gehörten – ein Territorium, das die Niederländer Nieuw Nederland oder Neu-Niederlande nannten.
    Es besaß schon einen eigenen Charakter. Zwei Generationen lang hatten die Niederländer und ihre Nachbarn, die protestantischen französischsprachigen Wallonen, um die Unabhängigkeit vom katholischen Spanien gekämpft. Und sie hatten gewonnen. Niederländer und Wallonen siedelten sich daraufhin zusammen in Neu-Amsterdam an. Es war ein Wallone gewesen, Pierre Minuit, der vier Jahrzehnte zuvor mit den Eingeborenen das Recht ausgehandelt hatte, sich auf der Insel Manhattan niederzulassen. Das Städtchen war vom ersten Augenblick an vom zähen, unabhängigen Geist protestantischer Kaufleute durchdrungen gewesen.
    Vor allem hatte es eine unschätzbare Lage. Für ein militärisch geschultes Auge bot das Fort vielleicht keinen besonders eindrucksvollen Anblick, aber es beherrschte die Südspitze der Insel Manhattan, die in die breiten Gewässer eines herrlichen, geschützten natürlichen Hafens hineinragte. Das Fort bewachte die Zufahrt zu dem großen Nordfluss.
    Und Pieter Stuyvesant war dessen Herrscher.
    Der englische Feind war nicht mehr fern. Die Neuengländer aus Massachusetts und vor allem die aus Connecticut mit ihrem hinterhältigen Gouverneur Winthrop versuchten ständig, den niederländischen Außensiedlungen Land abzuknapsen. Als Stuyvesant den festen Wall und die Palisade am Nordrand der Stadt bauen ließ, erklärte man den Neuengländern

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