Im Rhythmus der Leidneschaft
völlig unerwartet.
Bei ihrer Show musste sie darauf hoffen, dass die Männer mitspielten, doch Caleb ging einen Schritt weiter, denn Candy Cane zu küssen machte ihm großen Spaß. Zumindest bis ihm klar wurde, wie sehr er sich gehen ließ.
Er öffnete den Mund und schmeckte ihre Lippen. Tastend schob er die Zunge vor, und Candy Cane ließ es zu. Spielerisch strich sie mit der Zungenspitze über seine.
Vage registrierte er, dass das Publikum klatschte und begeistert pfiff, um sie anzustacheln. Der Pianist verlängerte den Schlussakkord des Songs, um diesen Abschluss der Show musikalisch zu untermalen und kräftig auszudehnen.
Caleb nahm kaum etwas davon wahr. Er atmete Candys Duft ein, der ihn an ein Feld voller Sommerblumen erinnerte, und er spürte ihre Finger im Nacken, wo Candy ihn, unbemerkt vom Publikum, gefühlvoll massierte.
Ich muss es abbrechen, dachte er, sonst verliere ich die Beherrschung. Schlagartig nüchtern löste er den Mund von ihren Lippen und neigte den Kopf nach hinten, um ihr direkt in die Augen zu sehen.
Aus ihrem Blick sprach erst Überraschung, doch dann wirkte sie ängstlich, und sofort war der Spürhund in ihm geweckt: Was hatte sie zu befürchten?
„Wer bist du?“, fragte er, als sie sich aufrichtete.
Ihr Lächeln wirkte aufgesetzt und galt eher dem Publikum als ihm. „Die Frau, die du niemals wieder vergessen wirst.“ Nach einem flüchtigen Luftkuss in seine Richtung kehrte sie zur Bühne zurück.
Dort verbeugte sie sich ein letztes Mal tief vor den Gästen, dankte mit einer Geste dem Pianisten und zog sich hinter dem Vorhang zurück, der sich in diesem Moment vor der Bühne herabsenkte.
Ja, dachte Caleb, sie hat recht. Ich werde sie nie vergessen. Und ich werde herausfinden, wieso sie mir bekannt vorkommt.
Sehr interessant, dachte Miranda Kelly. Sie stand in ihrer Garderobe und sah im Spiegel die Figur Candy Cane.
Sie musste sich noch umziehen und damit Candy Cane für heute von sich abstreifen.
Miranda trug eine Brille, wobei sie darauf achtete, dass der Farbton des Gestells das Grün ihrer Augen betonte. Im Gegensatz zu Candys rotblondem langem Haar war ihr eigenes dunkelbraun, kurz und wuschelig wie bei einer wilden Elfe.
Ihre Haut war übersät mit Sommersprossen, die sie bei ihren Auftritten als Candy Cane sorgfältig überschminkte. Auch während ihrer Jahre in Baltimore hatte niemand ihre Sommersprossen zu sehen bekommen. Dort hatte sie das Haus nie ungeschminkt verlassen. Immer makellos, immer gelassen, das Haar glatt nach hinten frisiert und immer in perfekter Haltung, so gehörte es sich für die Upper Class.
Miranda war es gewöhnt, sich zu verstellen.
Doch einen Gast aus dem Publikum hatte sie bisher noch nie geküsst. Wie hatte sie so unvorsichtig sein können! Erst vor ein paar Monaten hatte sie Corinne gestanden, es sei ihre größte Sorge, bei Marshalls Revisionsverfahren erneut aussagen zu müssen und entsprechend die endlosen Reporterfragen und das Blitzlichtgewitter zu ertragen. Dadurch würde sie vor allem ihren Schlupfwinkel hier in Mistletoe verlieren.
Um all das zu verhindern, durfte sie keinerlei Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Jeden Abend flirtete sie mit den Männern im Publikum, doch das tat sie in ihrer Rolle als Candy Cane und nicht als Miranda. Nur in dieser Rolle konnte Miranda etwas von den Sehnsüchten ausleben, die sie im richtigen Leben beiseiteschob.
In den fünf Jahren, die sie hier in Mistletoe lebte, hatte sie kein einziges Date gehabt. Sie hatte natürlich mit einigen Männern zu tun, aber mehr als nette Unterhaltungen gab es da nicht. Sexy, intelligente und ledige Männer waren in Mistletoe, Colorado, ohnehin eher Mangelware.
Im Romantikhotel, zu dem der Club Crimson gehörte, wohnten hauptsächlich Pärchen, und während ihrer Auftritte als Candy stellte Miranda immer wieder fest, dass die Gäste ihr zwar zuhörten, in erster Linie aber ihre Partner ansahen.
Und genauso sollte es auch sein.
Jetzt machte sie sich Vorwürfe, weil sie sich hatte mitreißen lassen. Gerade jetzt, wo wieder über Marshall berichtet wurde, musste Miranda in Deckung bleiben.
Wer war dieser Mann, der ihren Kuss so sinnlich erwidert hatte? Was tat er ganz allein an einem Ort, an den sonst nur Liebespärchen reisten? Die meisten dieser Pärchen suchten sich Mistletoe gerade deswegen als Ziel aus, weil sie hier mit Diskretion rechnen konnten.
Immer noch fassungslos sank Miranda auf den Hocker vor dem Schminktisch. Sie hatte einen großen Fehler
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