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Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin

Titel: Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bankl
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gefüllt angeblich mit wundertätigem Öl aus dem Grab des Heiligen. Tatsächlich enthielten die Fläschchen eine Arsentinktur. Die Zollbeamten ließen sich von der Tarnung täuschen und das Gift konnte über weite Strecken verschickt werden.
    Die Aqua Tofana erzeugte die typischen Arsensymptome: In der akuten Form Durchfall, Bewusstlosigkeit und Krämpfe, in der chronischen Form Abmagerung, Kraftlosigkeit und Fieber. Obwohl Arsenzubereitungen ein recht starkes Gift sind, werden Verdünnungen bis heute in der Homöopathie genutzt. Übrigens verabreichten auch Rosstäuscher ihren heruntergekommenen Gäulen vor dem Verkauf Arsenik, um so für wenige Stunden einen feurigen Blick, glattes Haar und ein volleres Aussehen der Tiere zu erreichen.
     
    Blei ist kriminalgeschichtlich bei weitem nicht so bedeutend wie Arsen. Historisch interessant war die » poudre de succession«, das beliebte » Erbschaftspulver«, ein pulverisiertes Gemisch von Blei- und Arsenpräparationen. Es wirkte nicht rasch, sondern raubte unter dem Erscheinungsbild zunehmender Auszehrung und Blutarmut sukzessive die Gesundheit, täuschte also trefflich
eine Krankheit vor. Zielgruppe solcher Vergiftungen waren missliebige Ehegatten - und vor allem Erblasser. Man konnte hiermit ziemlich unauffällig beschleunigen, worauf man sonst länger hätte warten müssen.

Giftnachweis
    Wenn in Berichten der Massenmedien gemeldet wird, dass die Gerichtsmediziner bei einem Todesfall letztendlich doch eine Vergiftung nachgewiesen haben, so wird dies vom Publikum meist ohne große Anteilnahme aufgenommen. Denn kaum jemand kann sich vorstellen, welch schwierige Materialsicherung und Laboratoriumsanalyse dahinter steckt. Kaum ein Gebiet der gerichtlichen Medizin ist problematischer als der Vergiftungsnachweis: Es muss hieb- und stichfest bewiesen werden, dass eine tödliche Giftmenge im Körper war, dass das Gift von außen zugeführt wurde und, vor allem, welches Gift in welcher Weise gewirkt hat.
    Um allen potentiellen Vergiftern gleich die Illusionen zu rauben, sei hier festgehalten: Wenn es zu einer Untersuchung kommt und wenn geeignetes Material analysiert werden kann, so sind mit den gegenwärtigen Methoden alle Substanzen, die eine Giftwirkung entfalten können, nachzuweisen. Das war nicht immer so. Viele Jahrhunderte lang beruhte der Nachweis einer Vergiftung zunächst auf der Auffindung des Giftes, danach der Prüfung seiner Wirkung an Tieren und schließlich der Beobachtung von Krankheitssymptomen und Leichenveränderungen. Da dies alles eine recht unsichere Angelegenheit darstellt, entstanden die abstrusesten Ansichten. Der römische Gelehrte Plinius (23-79) behauptete, dass die Körper Vergifteter von Tieren nicht angerührt würden, der Philosoph Seneca (4-64) glaubte, in den Leichen Vergifteter könnten keine Würmer entstehen,
und der Schriftsteller Sueton (70-140) bezeichnete als typisches Merkmal für eine Vergiftung die Unverbrennbarkeit des Herzens.
    Damit konnte man einerseits nichts anfangen, andererseits war Spekulation und Gerüchten Tür und Tor geöffnet. Ein Giftnachweis ist vielmehr in erster Linie ein Problem der Chemie und die ersten Quasi-Chemiker waren die Apotheker.

Gifte und Apotheker
    Der Gebrauch von Gift zur Beseitigung eines Widersachers reicht von vergifteten Waffen bis zum heimtückischen Mord. Die Grenzen zwischen Gift und Heilmittel sind allerdings unscharf. Derselbe Wirkstoff kann in einem Fall ein Gift, im anderen ein Heilmittel oder beides zugleich sein.
    Die Sprache gibt einen Hinweis auf diesen Zusammenhang, in dem das deutsche »Gift« sich vom neutralen »geben« ableitet und das englische » gift « ja immer noch »Geschenk« bedeutet . Schon das altgriechische Wort » pharmakon« hatte die Doppelbedeutung »Heilmittel« und »Gift«. Von Berufs wegen waren daher die Apotheker Kenner der Gifte und auch der Gegengifte. Fachlich gesehen repräsentierten sie sowohl die Chemiker wie auch die Toxikologen, also die Giftgelehrten, ihrer Zeit.
    Apotheker wurden aber kaum als Sachverständige bei Vergiftungen beigezogen. Und zwar aus folgenden Gründen: Die Einrichtung einer Apotheke und der Beruf des Apothekers war durch die Araber in die abendländische Kultur eingeführt worden. Die Apothekerkunst wurzelt tief im Orient, in Indien, Persien und den arabischen Ländern, desgleichen das Wissen um die Gifte. Zögernd und mit Misstrauen wurde dies von den mittelalterlichen Europäern übernommen, handelte es sich doch

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