Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin
Heiligenkreuz transportiert.
Am 1. Februar wurde Mary in einem Holzsarg in der ›Selbstmörderecke‹ des Friedhofes provisorisch beerdigt. Der Polizeikommissar Johann Habrda meldete in einem berühmt gewordenen Telegramm den Vollzug mit den Worten: »Alles abgethan.« Die mündliche Überlieferung der Wiener Medizingeschichte
spricht von einem Verwandtschaftsverhältnis zwischen Habrda und dem später so bedeutenden Albin Haberda. Dies ist allerdings dokumentarisch nicht bewiesen.
Die geheimnisvolle Welt der Gifte
Warum ist der Giftmord so beliebt?
Die Vergiftung ist eine besondere Art des Tötens. Keine Gewaltanwendung, keine direkte Konfrontation mit dem Opfer ist notwendig. Es ist auch keine Gegenwehr zu befürchten. Dafür bedarf es jedoch genauerer Vorbereitung und Kalkulation, eine Vergiftung im Affekt kommt praktisch nicht vor. Im Gegenteil, man muss bedachtsam und schlau vorgehen, über ein gewisses Spezialwissen verfügen und Zugriff zu Giften haben.
Der Giftanschlag war in der Menschheitsgeschichte die ideale Möglichkeit, um jene zu treffen, denen man anders nicht beikommen konnte. Fürsten, Könige, Kaiser, Päpste, Feldherrn und Politiker wurden durch Gift getötet - jahrhundertelang blieben diese Fälle meist ungesühnt, da die Wissenschaft nicht imstande war, die Gifte exakt nachzuweisen. Eine Laboratoriumschemie entstand nämlich erst im 19. Jahrhundert.
Jede Epoche der Geschichte hatte bevorzugte Gifte und bestimmte Typen der Vergifter.
In der klassischen Antike traten zuerst Frauen als Giftmischerinnen auf. Die bekanntesten Namen, Medea und Kirke, waren Sagengestalten aus der griechischen Mythologie. Pharmakides nannte man sie, also Zauberinnen, wie auch Giftmischerinnen, denn sie waren Kennerinnen von tod- und heilbringenden Pflanzen.
Mandragora, die geheimnisvolle Alraunewurzel, Belladonna, die Tollkirsche, und Scopolia, das Bilsenkraut, wurden zur Erzeugung
von Sinnestäuschungen und Schlaf benutzt. Kirke konnte durch ihre Giftsäfte Menschen in Tiere verwandeln, d. h. sie glauben machen, dass sie solche seien. Diese Halluzination ist bekanntlich den Gefährten des Odysseus passiert. Medea schläferte einen Drachen ein, den Hüter des Goldenen Vlies, betäubte den König Pelias und imprägnierte aus Eifersucht und Rache das Hochzeitskleid der Kreusa, die ihr den Jason abspenstig gemacht hatte. Von heftigsten Qualen einer Hautentzündung gepeinigt, starb Kreusa, und Medea ging als hoch begabte Vergifterin in die Sagengeschichte ein. Sicherlich liegen diesen mythischen Überlieferungen Erfahrungstatsachen zugrunde. Die Menschen der alten Hochkulturen kannten Gifte und Gegengifte, Heilmittel und schädigende Substanzen, vor allem auch fruchtabtreibende Mittel. Das gilt für die Griechen und Römer, die Völker Kleinasiens und den gesamten Orient. Es war eine Überlieferungswissenschaft, die sich herausbildete, meist ängstlich in Familien und Berufskasten gehütet. Frauen wurden zu Hexen oder Hebammen, Männer zu Ärzten oder Priestern. Für all diese Leute war es wichtig, Mittel zur Beeinflussung sowohl des Körpers wie auch der Psyche zu besitzen.
Um Gifte auf ihre Wirkung zu prüfen sind sicherlich auch direkte Versuche angestellt worden. Kaiser Nero ließ Gifte an Tieren erproben, Kleopatra zog gleich Menschenversuche vor. Überhaupt war dieselbe in der Giftzubereitung sehr einfallsreich. Marcus Antonius, ihr letzter Geliebter, der sich jedoch vor ihren Giftkünsten fürchtete und nichts bei ihr aß, was nicht ein Vorkoster zuvor als unbedenklich festgestellt hatte, wurde einmal bei einem Gelage aufgefordert, die Blumen ihres Haarkranzes in Wein zu sich zu nehmen. Schon setzte er den Trank an die Lippen, als er von ihr selbst zurückgehalten wurde. Die Blüten waren an den Spitzen vergiftet. Kleopatra wollte Marc Anton dadurch beweisen, dass sie ihn trotz Vorkosters vergiften könne. Ein aus dem Gefängnis herbeigeholter Mann musste den Wein trinken und starb danach.
Tierversuche bildeten den Anfang eines objektiven Giftnachweises, etwa in einem Strafverfahren. Durch viele Jahrhunderte ließen die Richter in angeblichen Vergiftungsfällen mit sichergestellten Überresten als Beweismittel Versuche an Hunden vornehmen. Eng mit Giften und Vergiftungen in Zusammenhang steht der kirchliche Hexenwahn zwischen dem 13. und 17. Jahrhundert. Man argumentierte so: Hexe ist eine Frau, die Gott und der Religion abgeschworen und sich dem Teufel ergeben hat; von diesem wird sie unterrichtet, wie
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