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Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin

Titel: Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bankl
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sie mit Zauberworten, Kräutern und anderen Dingen Unheil stiften und Menschen, Vieh, Äckern und Früchten beträchtlichen Schaden zufügen könnte. Daher ist sie zu bestrafen und zu töten.
    Als Papst Innozenz VIII. noch Nuntius in Deutschland war, vernahm er viele Klagen über die große Zahl von Hexen, Zauberern und Ketzern. Kaum Papst geworden, erließ er am 5. Dezember 1484 eine Bulle, um diesem Übel entgegenzutreten.

    Darin hieß es, ihm sei zu Ohren gekommen, »dass viele Menschen männlichen und weiblichen Geschlechtes sich fänden, die sich mit dem Teufel fleischlich vermischten, durch Zauberei die Weiber unfruchtbar machten, die Geburten vereitelten, Kinder abtrieben, die Früchte der Erden, Weinberge, Bäume, Felder... verdürben, Getreide und Hülsenfrüchte vernichteten, Menschen und Vieh behexten, ihnen unsägliche Schmerzen verursachten, die Männer unfähig machten Kinder zu zeugen usw.« Deshalb setzte er zwei Dominikaner zu Inquisitoren ein, die mit unumschränkter Gewalt die Zauberei auszutilgen hatten.
    Allein im Kurfürstentum Trier sollen durch die Dominikaner in wenigen Jahren 6500 Männer und Frauen auf dem Scheiterhaufen ihr Ende gefunden haben. Die Tötung von unschuldigen Menschen durch die katholische Kirche nahm gigantische Ausmaße an.
    Ein besonderes Kuriosum waren die berüchtigten Hexensalben im ausgehenden Mittelalter. Damals kam eine geheime Salbe in Gebrauch, mit welcher sich diejenigen schmieren mussten, die »dem Teufel beiwohnen« wollten. Neugierde und der Wunsch, vom Teufel irdische Vorteile zu erlangen, reizten zur Anwendung. Die Salbe schmierte man so tief wie möglich unter den Armen, in den Mastdarm und wahrscheinlich auch in die Scheide ein. Dann wartete man, mit einem Besenstiel zwischen den Beinen, auf das, was kommen sollte. Nach einiger Zeit stellte sich die Wirkung der Salbe ein. Die Individuen fielen in eine Art von Betäubung und Schlaf mit verwirrter Fantasie, in welcher sie alles sahen und zu empfinden glaubten, was sie aus den Erzählungen anderer wussten. Nach einigen Stunden kamen sie wieder zu sich.
    Es gibt eine Reihe narkotischer Pflanzenstoffe, die solche Wirkungen hervorrufen können, z. B. indischer Hanf (Haschisch und Marihuana), Opium, Fliegenpilz (Amanita muscaria) u. a. mehr. Ganz besonders wirksam sind Pflanzen aus der Familie der
Nachtschattengewächse, vor allem, wie schon erwähnt, das Bilsenkraut und die Tollkirsche. Sobald von einer geeigneten Körperstelle her dem Atropin und den anderen toxischen Alkaloiden der Eintritt in die Blutbahn gelingt - und vom Mastdarm aus gelingt dies besonders leicht - dann rufen sie mehr oder minder lange anhaltende Sinnestäuschungen mannigfaltiger Art hervor.
    Es ist selbstverständlich, dass durch ungeeignete Dosierung oft auch tödliche Vergiftungen entstanden sein müssen. Daraus entwickelten sich die differenzierte Kenntnis der Giftwirkungen, die Dosierungsvorschriften und - das Schwierigste von allen - die Grenzziehung zwischen Gift und Medikament.
    Neben dem Wissen über Gifte bestand ja auch Unwissenheit bzw. Aberglaube darüber. Eine solche törichte Meinung war, dass der gepulverte Diamant durch seine Härte Menschen töten könne, denn dieser Stein habe die Möglichkeit, die Eingeweide zu zerreißen. In Wahrheit kann gepulverter Diamant ebenso wie pulverisiertes Glas ohne Schaden verschluckt werden - es passiert gar nichts, das Ganze marschiert durch.
    Ein christlicher Aberglaube mit entsetzlichen Folgen war die europaweit verbreitete Lügengeschichte der angeblichen Brunnenvergiftung durch die Juden, die » ruchlosen Gottesmörder «. In diesem Zusammenhang kam es zu schlimmen Anschuldigungen und mörderischen Pogromen. Fantasievolle biologische Szenarien wurden erfunden: Sehr beliebt war die Behauptung, die Juden hätten die Aussätzigen, d. h. die Leprakranken, bestochen, die Brunnen zu vergiften. Sie hätten etwas von deren aussätzigen Harn und Blut genommen, zu Teig geknetet und kleine Kugeln daraus geformt, die, mit Steinen beschwert, in den Brunnen geworfen wurden. Und dann wurde behauptet, dass viele, die davon tranken, an Aussatz oder, je nachdem, an der Pest erkrankt seien.
    Was dann zu geschehen hatte, war klar. Die braven Christenmenschen verbrannten die Juden scharenweise und die Aussätzigen
gleich dazu. Ihr Hab und Gut wurde eingezogen, denn das schien der wahre Hintergrund dieser Massenmorde zu sein. Dem Bedarf an materiellem Vermögen auf Seiten von Herrschern und Regierungen ist

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