Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin

Titel: Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bankl
Vom Netzwerk:
und sauersten Wein« innerhalb von wenigen Minuten zum »besten und lieblichsten Wein« verwandelte. Er wusste aber auch, wie sich diese Weinpantscherei
aufdecken ließ: Nach Zusatz von einigen Tropfen Schwefelsäure zeigte eine weiße Ausflockung unlösliches Bleisulfat an.
    Die Symptome der chronischen Vergiftung wurden unter der Bezeichnung » Bauchgrimmen« bekannt. Der medizinische Fachausdruck lautete » Colica Pictonum«, d. h. die Kolik der Einwohner des (heutigen) Poitou, also der Gegend zwischen Bretagne und Zentralmassiv in Frankreich. Das war in der Antike das Gebiet der keltischen Piktonen, die Heimat von Asterix. Und dass dort viel getrunken wurde, wissen wir. Eine andere Erklärung ist auch nicht uninteressant: Pictonum soll sich von »pictura« d. h. der Malerei ableiten. Bleihaltige Farben sollen zu Vergiftungen bei Künstlern geführt haben. Wer weiß? Vielleicht haben die Maler auch nur den falschen Wein getrunken.
    Die Krankheit begann mit einer schmerzhaften Bauchkolik, dann wurde das Nervensystem befallen und unter Fieberattacken kam es schließlich zur allgemeinen Auszehrung. Besonders in Klöstern forderte die Bleivergiftung viele Opfer, da man dort regelmäßig Wein konsumierte. Die übrige Bevölkerung konnte sich das nicht leisten und trank Bier. Auf Grund von Gockels Beobachtung erließ Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg 1696 ein Gesetz, das die Verwendung von Bleizusätzen im Wein bei »Verlust von Leben, Ehre und Vermögen« verbot. Eigentlich war dies das erste Konsumentenschutzgesetz.
    Falsch ist die Vermutung amerikanischer Musikhistoriker, Ludwig van Beethoven (1770-1827) wäre an einer Bleivergiftung gestorben. Sie konnten in einer Haarlocke eine abnorm hohe Bleimenge feststellen und erklärten dies durch übermäßigen Verzehr von bleivergifteten Donaufischen. Wie das Blei in die Donau gekommen sein sollte, blieb allerdings offen, und dass Beethoven durch Monate täglich mindestens 1 Kilogramm Fisch gegessen habe, was dazu erforderlich gewesen wäre, ist auch nicht erwiesen. Die medizinische Wahrheit ist nämlich wesentlich
simpler: Der Weintrinker Beethoven starb an einer Leberzirrhose, es gibt einen Obduktionsbefund. Das Blei in den Haaren erklärt sich vielleicht dadurch, dass damals jede Haarpomade einen Bleizusatz enthielt.

Das giftige Hotelzimmer
    Die populäre Schauspielerin Ellen Umlauf, bekannt als Frau Kaiser in der Fernsehserie Kaisermühlen-Blues , wurde am 19. Februar 2000 in einem Hotelzimmer der Stadt Rotorua im Norden Neuseelands tot aufgefunden. Der Telefonhörer war abgehoben und lag neben ihr. Zunächst nahm man an, die 74-Jährige sei an akutem Herzversagen gestorben. Doch die gerichtsmedizinische Obduktion ergab etwas ganz anderes: Hohe Werte von giftigem Schwefelwasserstoff im Blut. Was war geschehen?
    Schwefelwasserstoff ist ein heimtückisches Giftgas. In geringer Menge stinkt es nach faulen Eiern und wird dadurch leicht bemerkt. Bei höheren Konzentrationen wird der menschliche Geruchssinn gelähmt und man erkennt die Lebensbedrohung nicht mehr. Und hierin liegt die große Gefahr, denn ein bis zwei Atemzüge genügen zur Bewusstlosigkeit, und innerhalb weniger Minuten tritt der Tod ein. Die Schädigung lebenswichtiger Zentren im Gehirn ist die Ursache.
    Rotorua ist die Schwefelstadt Neuseelands. In dieser vulkanischen Gegend spritzen Geysire heißes Wasser aus dem Boden, die Bäume sind gelb, die Seen haben gelbe Flecken. Überall blubbern Schlammtümpel, Schwefel ist allgegenwärtig, Schwefelwasserstoff steigt aus der Erde. In den letzen Jahren starben in Rotorua zwölf Touristen, zuletzt wachte ein Paar auf Hochzeitsreise, welches direkt auf dem Boden schlief, nicht mehr auf. Schwefelwasserstoff ist schwerer als Luft und sammelt sich in Bodennähe an. Das Hotel, in welchem Ellen Umlauf starb, trägt
den makabren Namen »Sulphur City Motel«. Es wäre sehr zum Wohle der Gäste, würde man sich dort endlich um den Schwefelwasserstoff kümmern.
    Es ist aber gar nicht notwendig, nach Neuseeland zu fahren, um an einer Schwefelwasserstoffvergiftung zu sterben. Das geht in Europa auch und ist nicht selten. Meist handelt es sich um Jauche-Unfälle in der Landwirtschaft. Das giftige Gas entsteht in Mistgruben, Silos und Kloaken. Wer in die Jauche fällt und dort die Dämpfe einatmet, verliert nach wenigen Sekunden das Bewusstsein. Als Rettungschance wird empfohlen, in der Jauche unterzutauchen, dort quasi Kraft zu sammeln und dann, ohne einzuatmen,

Weitere Kostenlose Bücher