Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin
gegen Lohn passte: »Es kam ein Wunderlich Ding an Tag, nemlich dz etzliche Weiber zu Prag, Pulffer bereiteten damit sie ihren Männern, oder weme sie gewöllet, geben könnten. Darnach sind zu Prag diese Weiber hierumb gefänglich eingezogen worden, und diese wurden alle Peinlich angegrieffen. Erstlich bekandte Johanna des Kameniken Weib. dz. Sie diese mit ires Mannes Wissenschaft getrieben. Aals die andern Weiber auch mit der scharffen Frag angegrieffen, haben sie bekandt. Also sind sie am Freytag nach Christi Himmelfarth hinaus geführet und umb die Vesperstunde sambt dem gifftigen Pulfer verbrennet. Etzliche ihre Gespielen aber sind fur Furcht, damit ihnen nicht auch so viel zu Theil würde, zur Stadt hinaus gelauffen, und nicht wider kommen.«
Vielleicht bezieht sich die Bemerkung des Berichtes, dass die Weiber Pulver »bereitet« hätten, auf den Stechapfel, dessen Samen von liederlichen Weibern, die ihrer Männer für einige Zeit ledig sein wollten, benutzt worden sind. Es kam dabei zu einer Atropinvergiftung mit Delirium und Halluzinationen, sodass die Opfer einige Zeit für geisteskrank gehalten wurden.
Seltsame Bräuche beim Militär
Die Soldaten von den so genannten Elite- und Traditionsregimentern pflegen bisweilen seltsame Aufnahmerituale. 1996 kam es in Limoges (Frankreich) zu einem toxikologisch interessanten Zwischenfall.
Ein 19-jähriger Mann hatte zu seinem Einstand ein Viertel Liter Wein getrunken. Dies ist für einen Soldaten ja keine Dosis. Dem Ritual entsprechend, hatten die Kameraden jedoch den Wein vorher durch einen Gewehrlauf fließen lassen, nachdem aus dieser Waffe mehrere Schüsse abgegeben worden waren. 15 Minuten nach dem Umtrunk wurde der Jungmann bewusstlos und begann zu krampfen. Die Anfälle dauerten etwa eine halbe Stunde, dann erst bekamen es die jungen Krieger mit der Angst zu tun, und es wurde der Soldat in eine Klinik transportiert. Nach zunächst erfolgloser diagnostischer Spurensuche fand man schließlich große Mengen des Schwermetalls Wolfram im Harn, die erlaubten Grenzwerte waren dabei um das 1000fache überschritten. In jenem bei der Feier getrunkenen Wein waren ebenfalls gigantische Mengen an Wolfram zu finden.
Eine akute Wolframvergiftung war beim Menschen bisher nicht beobachtet worden. Was ist da geschehen? Damals wurde seit kurzem den Gewehrläufen zur Härtung ein Wolframsalz zugesetzt. Nähere Details über das Spezialverfahren zur Qualitätssteigerung der Schießeisen ist nicht bekanntgegeben worden, das sei Militärgeheimnis.
Erst nach 35 Tagen hatte sich der junge Soldat von dem Umtrunk mit seinen zukünftigen Waffenbrüdern erholt und konnte das Krankenhaus verlassen. Wieso haben jedoch die anderen Mitfeiernden keine Vergiftung erlitten? Die Lösung war einfach. Die trinkerfahrenen Kameraden hatten sofort den ungewöhnlichen Geschmack des Weines bemerkt und heimlich ausgespuckt.
Auch die Militärverwaltung Frankreichs nahm den Vorfall zur Kenntnis und ließ derart gefährliche Feierlichkeiten verbieten.
Wein macht Bauchgrimmen
Die fatale Praxis, chemische Zusätze in den Wein zu geben, hat eine uralte Tradition. War es in der jüngsten Vergangenheit etwa das Frostschutzmittel Äthylenglykol, so bevorzugten in der Antike die Griechen Zusätze auf Harzbasis. Der moderne Retsina ist eine Nachfolge dieser Weine. Die alten Römer bedienten sich eines Sirups, den sie sapa nannten. Man stellte ihn her, indem man Traubenmost in bleiernen Kesseln eindickte. Dabei entstand ein wirkungsvolles Konservierungsmittel, welches außerdem noch süß schmeckte. Giftig war es allerdings auch, denn der Bleigehalt erreichte gewaltige Mengen - etwa ein Gramm Blei pro Liter. Das Mischungsverhältnis war so gewählt, dass der Wein letztendlich etwa 20 Milligramm Blei pro Liter enthielt.
In Mitteleuropa stellte der Weinhandel seit jeher einen beträchtlichen Wirtschaftsfaktor dar, daher musste die Ware haltbar und schmackhaft sein. Dafür verwendete man Bleizusätze und es kam natürlich zu weit verbreiteten Vergiftungen.
Der Stadtphysikus von Ulm, Dr. Eberhard Gockel (1638-1703), ging der Sache nach und verfasste eine grundlegende Abhandlung über »das Süßen von saurem Wein mit Bleiweiß und den großen Schaden für die, die ihn trinken.« Im lateinischen Original trug diese Schrift den wirklich schönen Titel »De vini acidi per acetum lithargyri cum maximo bibentium damno dulcificatione.« Gockel hat selbst getestet, dass der Zusatz von Bleiweiß den »schlechtesten
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