Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
Freund.« Seine Stimme war sanft, dunkel und freundlich. »Der tausendfache Tod ist das tausendfache Leben. Die Zukunft ist die Erinnerung.«
»Verdammt«, stieß Connor hervor. »Auf diesem Schiff tobt ein Kampf und plötzlich erscheinst du.«
Der Fremde lachte hart. »Du weißt, wer ich bin.«
»Nein, dass weiß ich nicht!«
»Dann erinnere dich.«
Connor ließ weder die Peitsche noch die Reißzähne der Gestalt aus den Augen. Er tastete an sich herab. Er war unbewaffnet. »Ich träume dich, stimmt’s?«
»In gewisser Weise kann man das so nennen.« Er war Connor jetzt so nahe, dass der Kämpfer den fauligen Atem der Gestalt auffing.
»Kehre zurück, Connor«, zischte der Unheimliche »Seitdem du im Süden warst, hat sich deine Heimat verändert. Sie steht vor dem Untergang. Zu viele Mächte, die miteinander streiten. Man benötigt dich dort.«
»Und warum wurde ich verkauft?«, schnappte Connor.
»Fehler geschehen.«
»Ich wär verreckt, das weißt du?«
»Du lebst, Connor! Das ist das Wichtigste. Du trägst Verantwortung.«
»Wer bist du?«, wiederholte Connor seine Frage.
»Ich bin dir der Nächste!«
»Warum sprichst du in Rätseln?«
» Du musst erkennen, wer ich bin. Wir werden uns wiedersehen. Später. Wenn du im Eis bist.«
»Im Eis? Auf Mythenland gibt es kein Eis.«
»Später, wenn du aus Liebe tötest wie ein Schlächter. Wenn dich die Gier nach Gold erfasst. Wenn du Freunde verraten willst. Wenn du ein Gejagter bist – ein Königsmörder!«
»Ich verrate keine Freunde und ein Königsmörder werde ich nie sein.«
»Du wirst vergessen. Dagegen lässt sich nichts tun. Dieses Schicksal ist geschrieben. Doch wir werden uns wieder begegnen. Dann wird dein Geist geläutert sein. Du wirst mich begreifen und deinen Namen erkennen.«
»Meinen Namen?«
Der Unheimliche hob seine Arme. Irgendwo hinter der grausig trockenen Präsenz, hier inmitten der Gischt, veränderte sich sein Aussehen. Er wurde zu einem vielköpfigen schwarzen Drachen. Wie ein Albatros, der auf dem Wind liegt, schlug er quälend langsam mit den durchscheinenden Flügeln, während aus den Nüstern kleine Flammen stießen.
»Ich bin das, was ich für dich sein soll, Connor!«, spie er herab.
Unversehens war es vorbei. Noch eine kleine Weile Stille, noch einen Atemzug Ruhe, noch ein Schweißtropfen, der ganz langsam über Connors Wange lief, sich von seiner Haut löste, sanft auf die Planken niedersank und dort wie eine silberne Drachenträne zerplatzte.
Stille ...
Atem holen ...
Hoffnung schöpfen ...
Und wieder auf der Amalia.
Connor blinzelte die Vision weg, rieb sich das Salzwasser in die Augen, hielt sich an einer Strebe fest, während ihm die Beine den Dienst versagen wollten. Ein Mann mit Reißzähnen, der sich in einen Drachen verwandelt hatte. Eine Traumgestalt, deren Kleidung trocken war, als gäbe es den Dämon und das Unglück, welches geschah, nicht, als hätte Connor eine andere Welt betreten.
Ich werde verrückt!
Konnte es tatsächlich sein, dass die Zeit stillgestanden war? War er in eine Art ... Stollen geraten, der in die Zeit geschlagen war?
Lärm, schäumendes Wasser und die hilflosen Rufe der Ertrinkenden brachten Connor zurück in die Realität.
Hier und jetzt galt es zu überleben. Die Vision gehörte schon jetzt der Vergangenheit an. Die Gegenwart war bedrohlicher.
Der Margolous war noch da! Noch immer tobte er. Wieder donnerte der Meeresdämon empor, größer und mächtiger als ein Wal, der seinen Häschern entkommen will. Der Schwanz des Margoulus teilte das Wasser, schnellte aufwärts und zerschmetterte beide Schiffe. Der Lärm war unbeschreiblich, Taue rissen knallend, Segel rollten ab und klatschten ins Wasser.
Holz brach knirschend. Deckplanken gaben unter Connor nach. Er stürzte und rutschte auf dem Hintern vorwärts Richtung Wasser. Das Schiff bäumte sich auf wie ein sterbender Fisch. Connor hielt sich instinktiv fest. Um ihn herum sausten Körper ins Wasser, jedermann kreischte und heulte.
»Ich will nicht sterben!«
»Bei den Göttern! So will ich nicht absaufen!«
»Es frisst, Hilfe, es frisst uns!«
Das wassert kochte. Menschliche Körperteile ragten dem Margolous aus dem Maul. Er spuckte sie aus und schnappte nach dem Nächsten. Connor zog sich mit äußerster Anstrengung hinter einen Deckaufbau. Er lehnte mit dem Rücken dagegen und duckte sich. Vielleicht übersah das Monster ihn.
Ein Tentakel klatschte neben ihm aufs Holz und schlängelte sich tastend in seine
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