Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
vollstrecken, sollte es nicht fällen!« Nicht wenige wichen seinem Rundumblick aus. »Also will ich es tun! Das bin ich Bamig schuldig. Es ist das erste Mal in der Geschichte unseres Volkes, dass ein Todesurteil gesprochen wird, umso wichtiger ist es, den Kodex zu befolgen. Ich werde niemandem von euch diese Bürde überlassen.«
Freunde und Bekannte von Bamig jammerten. Und einige andere auch.
»Verdeckt den Kindern das Gesicht!«, befahl Bob. »Oder bringt sie weg. Schließt eure Augen. Ich werde bis fünf zählen. Dann wird es geschehen. Ihr habt also Zeit genug, wenn ihr es nicht sehen wollt. Wer weggehen möchte, soll dies jetzt tun.«
Bamigs Weib kreischte erbärmlich. Sie lag jählings neben ihrem Gemahl im Staub, bettelnd und winselnd.
Unbeirrt schwang Bob den Hammer, wog ihn in den Händen. Ein gutes Werkzeug. Ein schwerer Kopf, aus einem Granitblock gemeißelt. Mit diesem Hammer würde es sehr schnell gehen. Bamig würde nicht leiden müssen.
Der Verurteilte brüllte auf, schnellte hoch und wollte weglaufen, was nicht gelang. Vielmehr stolperte er. Er lag nun direkt unter Bob und dem Hammer. Sein Flehen war jämmerlich.
Zwei Barbs sprangen vor. Sie hielten Bluma fest, die unversehens drei Schritte gemacht hatte und nach vorne gebeugt auf dem Dorfplatz stand, die Haare wirr vom Kopf abstehend, die Wangen glühend. »Bobba, das kannst du nicht tun«, zischte sie. »So sind wir nicht – wir sind keine brutalen Mörder. So etwas hat es noch nie gegeben. Ich erkenne dich nicht wieder!«
Am liebsten wäre Bob zu ihr gegangen, hätte sie in seine Arme genommen, ihr störrisches Haar gestreichelt und ihr erklärt, warum seine Entscheidung richtig und notwenig war. In diesem Moment hasste er seine Vormachtstellung, hasste Bamig, der ihn in diese Situation gebracht hatte, hasste die Gesetze und den Ärger .
Bama starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Ihre Miene war wie aus Stein. Ganz langsam schüttelte sie den Kopf. Willst du wirklich, dass dein kleiner Sohn seinen Bobba als Henker erlebt?, schien diese Geste zu bedeuten. Bamba versteckte seinen Kopf in ihrer Schürze.
Zwei andere Barbs hoben Bamigs Weib auf. Sie brachten die Weinende so sanft wie möglich vom Todgeweihten weg.
Bob begegnete Burrls Blick. Sein Freund runzelte die Brauen und um seine Lippen spielte ein Lächeln, als halte er das Ganze für einen schlechten Witz.
Bulnaz, der sich vor wenigen Minuten für Bamigs Tod eingesetzt hatte, machte ein langes Gesicht und spuckte verächtlich aus.
Biggert öffnete die Knöpfe seines schwarzen Lederwamses, als würde ihm heiß. Ihm war anzusehen, dass er sich für diese Darbietung schämte. War auch er gegen ihn, gegen Bob? Wohin war die Empörung? Wohin der Ruf nach Gerechtigkeit? Dachte niemand mehr an den armen Borro, dem dieser Mörder ein Messer in die Brust gerammt hatte?!
Alles das und viel mehr nahm Bob mit erstaunlicher Klarheit wahr. Dennoch - er musste konsequent sein. Für die Zukunft seines Inselvolkes, für deren Stärke und um Dem Ärger keinen Platz in ihrem Leben zu gestatten. Er seufzte und hob den Hammer, um es zu Ende zu bringen.
Er ahnte, dass die Zeiten des Glücks vorüber waren.
»Eins ...!«
Er ahnte, dass man ihn nicht mehr lieben, sondern fürchten würde.
»Zwei ...!«
Er ahnte, dass nichts mehr so sein würde wie zuvor.
»Drei!«
In diesem Moment verdunkelte sich die Sonne.
Nachdem der Margolous verschwunden war, öffnete sich die Tür der Kapitänskajüte.
Connor erinnerte sich, dass sein Herz für einen Moment zu schlagen aufhörte.
Um ihn gerann das Grauen.
Wassertropfen schwebten in der Luft wie polierte Perlen oder Seifenblasen im Sommerhauch.
Das Meer hielt den Atem an und die Zeit lief langsamer.
Eine Gestalt, deren schwarzer Umhang völlig trocken war und im Wind wehte, deren schwarze Haare wellig loderten und deren rote Augen wie Feuer glühten, trat die Stufen hoch. Schritt für Schritt und so langsam, dass Connor die Sohlen des Unheimlichen knirschen hörte. Mit albtraumhafter Langsamkeit kam das leichenblasse Gesicht auf ihn zu, während die Abläufe wie in Sirup gelierten. Alle Geräusche und Gerüche waren ausgesperrt. Er hielt eine Peitsche in der Hand, deren Spitze über das Deck schlappte.
»So ist es also geschehen ...«, murmelte der Unheimliche. Als er lächelte, zeigte er gelbe Reißzähne.
»Was willst du von mir? Wer bist du?«, fragte Connor verwirrt.
»Oft ist das Wiedersehen erst die Trennung – mein
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