Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
länger«, sabberte der zweite Knecht, der kompakt gebaut und überaus haarig war. Sein Atem stank wie eine lausige Schänke.
»Wie wollt ihr morgen meine Verletzungen erklären? Wie soll ich aufrecht auf dem Karren stehen, wenn ihr mir meine Gelenke auseinander zieht?«
Die Folterknechte richteten sich auf und glotzten sich an.
»Was wird Inquister Balger dann mit euch anstellen? Er wird nicht wollen, dass ein Delinquent ohne Grund gefoltert wurde.«
»Bei dir macht er sicherlich eine Ausnahme.«
»Und falls nicht? Habt ihr darüber nachgedacht?«
Hatten sie nicht, diese betrunkenen Narren!
Der Haarige griff das Rad und drehte wütend. Schweiß lief über seine schmutzige Stirn und hinterließ graue Pfade. »Das ist mir egal!«
Sein Partner hielt ihm den haarigen Arm fest, eine beruhigende Geste. »Er hat Recht, Duggu. Weitere zwei Umdrehungen und seine Gelenke reißen aus den Kapseln. Er wird sich tagelang nicht bewegen können. Wie soll er so zum Galgen kommen? Man wird ihn fragen, was geschehen ist.«
Duggu blickte auf, sein gebeugter Oberkörper gab ihm die Anmutung eines verwachsenen Gnom. »Dann sollen sie mich gleich danach aufhängen. Vorher werde ich diesem schönen Mann«, er spuckte aus. »... den Körper ein bisschen zurecht rücken.«
»Wir haben nicht nachgedacht, Duggu!«
»Doch, ich weiß genau, was ich tue. Ich mochte ihn nie. Hast du die Augen der Weiber gesehen, wenn er sich im Gerichtssaal zeigte? Wenn er mit spitzen Fingern seine Locken zurückstreift, damit sie ihm nicht ins Gesicht fallen? Die Weiber seufzen.«
»Du hast Recht, trotzdem haben wir nicht nachgedacht. Inquister Balger wird uns zur Rechenschaft ziehen. Vielleicht hätten wir weniger saufen und mehr überlegen sollen.«
So ging es hin und her, während Darius in Gedanken Wetten abschloss, wie sich die Situation entwickeln würde. War die Dämonenverwandlung eine einmalige Sache gewesen, oder würde sie erneut geschehen? Warum nicht jetzt? Er würde den Folterknechten die Köpfe abbeißen!
Darius staunte über die Düsterheit, die sich seiner bemächtigte. Obwohl in Menschengestalt, dachte und fühlte er wie ein Dämon. Er schloss die Augen und wünschte sich, er würde in schwarzlodernder Gestalt erscheinen, wenn er sie wieder öffnete. Das geschah nicht. Deshalb musste er miterleben, wie das Rad einmal gedreht wurde und ihn der Schmerz ansprang wie ein wildes Tier.
Seine Muskeln schrieen auf, seine Gelenke hoben sich aus den Pfannen und verweilten in Lauerstellung. Eine weitere Umdrehung und sie würden ausrenken. Seine Sehnen waren zum reißen gespannt und sein Körper loderte, als hätte man ihn in Flammen gesetzt. Er glomm ohne Feuer!
Ohne es zu wollen, öffnete sich sein Mund und ein grausamer Schrei kam aus seiner Kehle. Es schmerzte, als würden sich seine Haarspitzen entzünden. Weit hinten hörte er den haarigen Duggu lachen, wohingegen sein Partner immer noch versuchte, seine unbedachte Haut zu retten. Sie stritten, was Duggu offensichtlich immer zorniger und durchsetzungswilliger machte.
Darius wurde ohnmächtig.
Es war nicht der Schmerz, der seine gnädige wärmende Decke über ihn legte, erkannte er, bevor es vor seinen Augen dunkel wurde.
Er träumte.
Seine großen Füße stapften über Fels. Sein schwarzlederiger Körper pulsierte und formte sich in Details um, ohne die Grundgestalt zu verlieren, die Körperlichkeit des Dämons.
Darius der Dämon, atmete tief ein und eisiger Wind drang in den Blasebalg seiner Lunge. Er stand auf einer Felskante und blickte in ein Tal hinunter. Steinriesen gingen ihrer Tätigkeit nach, haushohe Kinder tollten umher. Einige der Riesen, die sich bequem in den Fels gelehnt hatten, waren zu Stein geworden und Pflanzenbewuchs zierte ihre Hüften. Der Dämon wusste, dass sie Jahrhunderte dort ruhten, bevor ihr Schlaf vorüber war. Erneut atmete er ein und aus, was eisigwarme Wolken vor seine Schnauze legte. Schnee fiel und eine Stille lag über der Landschaft, wie er sie nie erlebt hatte. Schweigen und Frieden.
Der Dämon setzte seinen Weg fort, denn er wollte die Riesen nicht stören. Er wanderte durch vereiste Flüsse und durch schwarze Wälder.
Er genoss die Winterbrise und legte den kantigen Schädel in den Nacken. Als Schneeflocken seine Lippen netzten, grunzte er behaglich. Er wusste nicht, wo er war, er wusste nicht, wie er hier hin gekommen war, eigentlich wusste er nur, dass die Gegenwart ihm ein Geschenk gemacht hatte. War es so wie beim erstenmal?
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