Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
schlechtes Gewissen beschlich. George Zyxkally, Vorsitzender der Schriftsetzergilde und Freidenker war an seiner statt gestorben. Durch den Fluch eines Dämons, dem es gelungen war, fast achtzig Personen in eine Starre zu versetzen. Die anschließende Jagd war ins Leere gelaufen, der Dämon war und blieb verschwunden.
Es begann also wieder!
Vierzig Jahre waren vergangen, seitdem Dämonen, die sich die Wächter nannten, in Mythenland wüteten, danach hatte das Grauen von einem Tag auf den anderen geendet. Was Rondrick am meisten erstaunte, war die Tatsache, dass der Dämon zielgerichtet den König gesucht hatte. Das konnte nur bedeuten, dass er in jemandes Auftrag handelte.
Mor’t kratzte und schabte, tupfte die gereizte Haut mit frischen Tüchern und summte dabei ein altes Lied. Wie üblich schwieg der alte Mann und versah seinen Dienst perfekt. Man sagte, er habe Erzkönig Gregor, Rondricks Vater, in dreißig Jahren nicht einmal geschnitten. Andere sagten, auch wenn man Gregor den Redlichen nannte, sei dies so besser gewesen.
Rondrick konnte sich nicht vorstellen, einen Barbier zu bestrafen, der ihn schnitt. Kleine Ritzer gehörten zum Rasieren wie Kerne in einen Apfel.
Lady Grisolde betrat das Schlafgemach.
Ihre schwarzen Haaren, die elfische Anmut und der schlanke Körper machten sie zum größten Geschenk, das Rondrick sich vorstellen konnte. Dennoch sagte ihm sein Instinkt, dass die flatterhafte Harmonie nicht von Dauer sein würde. Zwar war er ein friedvoller sanfter Mann, doch er war kein Narr. Ihm entgingen keineswegs die kritischen Blicke der schönen Frau, die ihn streiften, wenn er sich verhielt, wie sie es nicht guthieß. Die Kluft zwischen ihnen, die natürlich und selbstverständlich war – schließlich war Rondrick der König – schien sich stetig zu vergrößern, obwohl Rondrick fortwährend versuchte, das Gegenteil zu bewirken. Vielleicht, dachte er, würde Grisolde ihr wahres Gesicht entblößen, wäre diese Kluft überbrückt. Also beließ sie es, wie es war - zu ihrem eigenen Schutz.
Erstaunlich, dass er nun sogar seiner Frau gegenüber Misstrauen hegte ...
Er schüttelte sich und Mor’t grunzte. Der Alte zog im letzten Moment die Klinge zurück und wischte sie an einem Leder sauber. Rondrick, der keine Lust hatte, sich in tiefe Düsternis zu denken, rutschte aus dem Sitz und richtete sich auf. Er griff sich ein Tuch und wischte den Seifenschaum ab. Er tastete über seine Haut, die gleichmäßig glatt war. Er reckte sich und blinzelte freundlich, als sich Mor’t verabschiedete, die Seifenschale im Arm.
Ha, frisch rasiert, eine kühle duftende Herbstbrise, die durch das Fenster strömte, eine schöne Frau im Gemach, ein Bett, breit genug für alles, was einem einfiel und die Gewissheit, zu leben – so konnte der Tag beginnen!
Er öffnete seine Arme und wartete, dass Grisolde zu ihm kam. Sie machte zwei Schritte und drückte sich an ihn, sodass er ihre Wärme spürte. Ein herrlicher Körper, voller Eleganz und Kraft. Er nahm ihren Kopf und bog ihn etwas zurück, damit seine Lippen die ihren fanden. Soeben wollte er sie küssen, als er Tränen unter ihren geschlossenen Wimpern hervorquellen sah.
»Warum weinst du?«, fragte er.
Sie schluchzte. »Ich bin so froh, dass du lebst.«
Er küsste ihre Tränen weg und strich über ihr Haar. War er etwa doch ein Narr? Sah er nicht, wie sehr sie ihn liebte? Andererseits hatte sein Vater, der seine Weiber gewechselt hatte wie andere Männer ihre Schuhe, gesagt, Weibertränen seien das Eis der Sommerblumen. Dabei hatte er grimmig dreingeschaut und Rondrick, der sich mal wieder an eine andere Mutter gewöhnen musste, hatte blöde gegrinst, weil er nichts davon begriff.
Wie auch immer – Weibertränen waren wie Pfeile. Sie trafen einem ins Herz und störten den Rhythmus.
»Nicht weinen«, flüsterte er. »Wir werden der Sache auf den Grund gehen. Der Dämon muss beauftragt worden sein, um mich zu töten. Wir werden den Drahtzieher finden und bestrafen.«
Sie machte sich los, wischte sich den Rest der Tränen aus dem Gesicht und blickte ihn an. Unvermutet stand Zorn in ihrem Gesicht, was Rondricks Herz erneut aus dem Gleichtakt brachte. »Wenn du den Übeltäter gefunden hast, will ich ihn töten!«, zischte sie.
»Eines nach dem anderen, meine Liebe. Zuerst lass uns den Morgen begrüßen.« Er nickte zum Bett und lächelte schief.
»Nicht jetzt«, sagte sie. »Zuerst musst du dich mit deinen Ministern besprechen. Ihr müsst Entscheidungen
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