Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
blickte Grisolde an. In seinen Augen brannte ein Feuer, wie sie es bei diesem Mann noch nie gesehen hatte. Sie wusste, dass Balger ein grausamer Mann war, ein Ankläger, dessen Auftritt erfahrungsgemäß genügte, um die Angeklagten heulen zu lassen wie junge Hunde. Er selbst nannte seine Befragung eine penible Aussprache . Und er war darin ein Meister. Niemand hielt ihm stand. Was Balgers Augen nun aussagte, ging über Grausamkeit hinweg. Es drückte weder Furcht noch Wahnsinn aus. Es war etwas anderes und das würde Grisolde herausfinden. Es fiel ihr schwer, den Mund zu halten, doch sie wusste, wenn sie nur lange genug schwieg, würde ihr Gegenüber reden.
»War Euch bekannt, was geschehen würde?«, fragte der Inquister und für einen Moment vernahm sie den scharfen Ton in seiner Stimme, jenen Ton, den er bei einer peniblen Aussprache bevorzugte. Eine Stimme, die dem Befragten ein Gefühl von Sinnlosigkeit vermittelte. Ihre Nackenhaare stellten sich auf.
»Ich weiß nicht, was Ihr meint, Inquister.«
»Euch scheint nicht zu verwundern, dass ich alleine hier bin und ziemlich derangiert wirke, oder?«
Sie lachte, doch dieses Lachen klang gekünstelt und blechern. »Männer verwundern mich schon längst nicht mehr.«
»Alle, die mich begleiteten, sind tot!«
Grisolde fing an zu schwitzen. Dass es schlimm war, hatte sie befürchtet, aber so? Alle tot? Was war vorgefallen?
»Ihr habt meinen Gemahl und den Riesen eingeholt? Der Riese hat gewütet? Ist dem König etwas zugestoßen?«
Balger sah sie lauernd an. Sein schwammiges Gesicht verzerrte sich. »Eurem Gemahl geht es gut, Lady. Wolltet Ihr das hören? Warum fragt Ihr nicht, wo er sich befindet?« Langsam und intensiv feuerte er seine Fragen ab und Grisolde bekam ein schlechtes Gewissen.
Sie wunderte sich nicht, dass Balgers Opfer schneller auf dem Rad oder Scheiterhaufen landeten, als sie blicken konnten. Es hatte eine Zeit gegeben, da wurde seine Macht gebrochen. Vorübergehend. Ein intelligenter Anwalt forderte ihn heraus. Bald zeigte sich, dass Balger nicht unbesiegbar war. Denn der Anwalt stellte klar, dass die Hexen- und Dämonenfrage eine politische war, an der sich manche Leute bereicherten. Dass der Anwalt selbst Opfer seiner düsteren Vorlieben geworden war, gab der Sache eine pikante Note.
Sie räusperte sich. »Was meintet Ihr, Inquister. Verzeiht, ich war mit den Gedanken woanders.«
»Nun - warum auch nicht? Alles ist nach Plan gelaufen! Seid Ihr zufrieden, die drei wichtigsten Personen des Königshauses aus dem Weg zu haben? Der Elf ist kein Problem, der Troll spielt keine Rolle. Und mit Rondrick werdet Ihr schon fertig, falls er jemals wieder zurückkehren sollte. Ich betone… sollte! War es so geplant?«
»Ich verstehe noch immer nicht!« Sie sprach die Wahrheit. Warum wollte dieser schreckliche Mensch ihr etwas anderes weismachen?
»Wann hat Euch das letzte Mal ein Mann geglaubt?«
Sie lächelte. »Stets, mein lieber Balger. Oder denkt Ihr, sonst wäre ich hier?«
Er winkte dem Sklaven, ließ sich ein Tuch geben und das Weinglas füllen. »Und nun schickt diesen Affen raus. Was ich Euch sage, ist nicht für seine Ohren bestimmt.«
Grisolde zögerte einen Moment. Dann machte sie einen Wink und die Tür fiel hinter dem Sklaven zu. Eigentlich war das unnötig, denn dem Halbtroll war die Zunge entfernt worden. Außerdem war er so verblödet, dass er sowieso nicht begriff, um was es ging. So mussten Sklaven des Königshauses sein und im Grunde wusste Balger das.
Warum also wollte er mit ihr alleine sein?
Sie wurde nervös. Noch immer glühten seine Augen undefinierbar. Nein, unheimlich war das richtige Wort.
Balger beugte sich vor, was anbetracht seiner Leibesfülle eigentlich ein Unding war.
Er seufzte: »Es gibt ungesagte Dinge, die schallen lauter als Trollfürze, meine Liebe. Ihr wolltet, dass wir den König aus dem Weg räumen. Nun gut - er ist aus dem Weg. Er wird für eine ganze Weile bei den Riesen bleiben. Warum, weiß ich nicht und es interessiert mich nicht. Mir scheint, er hat den Verstand verloren. Egg T‘huton ist bei ihm und auch dieser rothaarige Barde aus der Stadt. Die Drei haben sich gefunden und verhalten sich, als seien sie Brüder. Plemplem, wie ich sagte! Nun ja, Dinge sind wie sie sind.«
Grisolde lächelte, diesmal durchaus zufrieden. Das waren gute Nachrichten. Sofort löste sich ihre Beklemmung und sie fühlte sich sicher.
»General Syndar ist tot, der Schatzmeister auch. Alle Soldaten sind gestorben,
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