Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
schwang latentes Misstrauen über der Gegend. Niemand verbrüderte sich. Der Häuptling der Sumpfer sang ein grollendes Lied. Sie leerten die Weinkrüge, legten sich hin, wo sie saßen und schliefen ihren Rausch aus.
Am nächsten Morgen kam der Häuptling zu Ronius und musterte ihn eindringlich. »Nun haben wir Frieden. Frieden liegt nicht in unserer Art, doch wir werden den Kontrakt einhalten. Du bist ein furchtloser Steiner. Dein Volk sollte dich zum Häuptling wählen. Ich möchte dir etwas schenken.«
Er rollte eine Matte auf, die mit Runen beschriftet war. »Ein altes Rezept. Wir nutzen es, um einen Trank zu brauen. Wir nennen ihn den Zorn der Riesen. Trinke und kämpfe. Wenn wir uns in fünfhundert Jahren wieder begegnen, sollt ihr gleichwertige Gegner sein!« Er grollte, drehte sich um und trottete davon.
Ronius traute seinen Ohren nicht. Waren es die Nachwirkungen des schweren Weins, den sie gesoffen hatten? Er blickte der gebeugten Gestalt des Häuptlings hinterher, bückte sich und rollte die Matte zusammen. Nicht wenige Sumpfer beäugten ihn, einige zweifellos bewundernd.
Gratos kam zu ihm. »Wir werden fünfhundert Jahre Zeit haben, um über dieses Geschenk nachzudenken. Es wird Zeit, dass wir uns sammeln und den Heimweg antreten. Ich bin sehr stolz auf dich, mein Junge.«
Ronius begriff diesen Stolz nicht.
Er hatte gehandelt, wie man es von ihm erwartete. Trotzdem stellte sich kein Glücksgefühl ein. Er konnte den starren Blick des Verletzten nicht vergessen, die Tränen, welche Jorgol geweint hatte.
Ronius wurde zum Häuptling gewählt.
Im dritten Jahrhundert seines Lebens starb er an einer Krankheit.
Zeit seines glücklichen Lebens nannte man ihn Ron.
Rondrick erwachte.
Okor und Talus blickten auf ihn herab. Zwei Titanen. Zwei Götter.
Okor lächelte.
»War es gut, in meinem Kopf zu sein?«, fragte er.
Rondrick blinzelte. Er hatte Schwierigkeiten, sich zu Recht zu finden.
Talus sagte: »Okor ist ein Phantast. Er kann dich in seine Erinnerungen mitnehmen.«
Ronrick richtete sich auf. Egg und Jamus waren wach und sahen ihn neugierig an.
Egg murmelte: »Das war unglaublich. Einfach nur unglaublich.« Er starrte vor sich hin, als könne er nicht glauben, was geschehen war. »Vieles lief durcheinander. Ich sah, wie Rondrick gegen einen Sumpfriesen kämpfte. Er besiegte ihn. Danach entführten mich Nebel. Ich selbst war genauso ein Gigant wie ihr. Ich träumte, ich sei ein Titan der Naturgewalten. Ich gebot über Eis, Feuer, Wasser, Stein, Orkane oder Springfluten. Ich war weise und gerecht. Und doch legte man mich herein. Ich unterlag im Weisheitswettbewerb. Ich kämpfte gegen Odin. Ich würde ihn nur dann besiegen, wenn ich eine Frage beantwortete, deren Antwort nur er kannte. Das gelang nicht und ich erwachte.«
»Auch ich kämpfte«, sagte Jamus. »Ich nannte mich Thyrim und stahl Thors Hammer. Er rächte sich an mir und erschlug mich. Für einen Moment dachte ich, alles in Wirklichkeit zu erleben. Seht, meine Finger zittern.« Er streckte sie aus. »Dennoch starb ich nicht, sondern kam zurück zum Kampf gegen Jorgol. Es ist als hätte ich zwei Leben gleichzeitig geträumt.«
»Unglaubliche Traumgebilde. Als hätte ich es selbst erlebt«, sagte Egg.
Rondrick hörte zu, während er den martialischen Riesen beobachtete. »Ich erinnere mich an dich …«, sagte Rondrick.
Okor legte den massigen Schädel schräg und lächelte.
»Du bist der Häuptling, der mir das Rezept für den Trank schenkte.«
»So ist es«, nickte Okor.
Talus sagte: »Er kam zu uns, weil deine Tat ihn veränderte.«
Okor sagte: »Dein Kampf brachte mir den Frieden. Ich sah das Mitgefühl in deinen Augen. Ich las dein Herz. Ich ahnte, dass es etwas im Leben geben muss, dass über Gewalt hinausgeht. Bei meinem Volk hätte ich das nie finden können, also bat ich um Asyl im Tal der Riesen. Es wurde mir gewährt. Nun habe ich Freunde. Keine Kameraden im Kampf, sondern Freunde, die mit dem Herzen sehen.«
»Warum redest du zu mir, als sei ich dieser Ronius?«
Okor sagte: »Du bist es. Ich selbst pflegte dich, bis der Tod dich viel zu früh vor deiner Zeit holte. Es war eine schreckliche Zeit. Nicht nur für mich, sondern für dein Volk. Du hast dich gequält. Niemand wusste, wie lange du alles das noch aushalten würdest. Dann bist du gestorben.« Okor machte eine Pause, dann fuhr er fort: »Das wollte ich nicht zulassen. Du warst der wertvollste Riese, den ich jemals kennenlernen dufte. Ich
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