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Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)

Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)

Titel: Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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das sein.«
    Das war absurd.
    Also fragte er seine Mutter nicht mehr und beließ es dabei. Seinem Vater, einem grausamen Mann, der ein sehr spezielles Vergnügen dabei empfand, Hundewelpen gegen die Scheunenwand zu werfen, bis sie tot waren, konnte er sein Leid nicht klagen. Vermutlich wäre er den Welpen umgehend gefolgt. So bildete sich in ihm ein Hass, den er pflegte wie eine schöne farbige Blume.
    »Friss nicht soviel«, empfahl ihm ein Mädchen mit harten Worten.
    »Ich esse nicht viel«, sagte Loouis verzagt.
    »Pah, das sagen alle Fetten. Und wenn niemand hinschaut, schlagen sie sich mit Pasteten und Hammelkeulen voll, aus denen das Öl tropft.«
    »Das stimmt nicht«, wehrte sich der Junge. Tatsächlich aß er nicht mehr als sein Vater und der war muskulös, ein Baum, jemand, dem die Weiber schöne Augen machten. Er aß so viel wie der erwachsene Mann, denn er wollte genauso aussehen.
    Dass er einem logischen Trugschluss, einem kindischen Begriffsmangel, aufgesessen war, erkannte er erst später. Als es zu spät war.
    Loouis Balger machte sich Notizen. Er schrieb auf, wer ihn quälte und er schrieb auf, wer ihn in Ruhe ließ. Zwei Listen, von denen eine sehr viel länger war. Er würde sich nicht unterkriegen lassen. Also tat er das einzige, was ihm möglich war. Er wurde ein Musterschüler. Er lernte, was das Zeug hielt und schrieb nur beste Arbeiten. Er belegte Heilkurse und übte sich im Spurenlesen. Er studierte Strategie und erstaunte manchen altgedienten Soldaten mit seinen Schlussfolgerungen. Er lernte auswendig, um sein Gehirn genauso zu stählen, wie sein Vater die Muskeln stählte.
    Als Student, dicker denn je, aufgedunsen wie ein Ballon, machte er von sich reden, als er in einer philosophischen Gesprächsrunde einen nach dem anderen aufs Korn nahm und einen neuen konkreten philosophischen Beweis antrat. Man glotzte ihn an, als sei er ein Troll und seine Lehrer kriegten sich nicht mehr ein. Das war Loouis über Fragestellungen geklungen. Fragen, die er so logisch aneinander knüpfte, dass sie nur zu dieser einen Antwort führen konnten.
    Er lernte, dass man mit den richtigen Fragen die richtigen Antworten erhielt, von denen man zuvor nicht geträumt hatte. Jede Antwort führte ihn weiter zum Kern der Sache, bis es keinen Ausweg mehr gab.
    Man trat auf ihn zu. Ob er Interesse daran hätte, als Inquister zu arbeiten. Balger war seinem Ziel so schnell nahe gekommen, wie er es nicht gedacht hätte. Er sagte zu und übte sich bei kleinen Verfahren. Er war stets erfolgreich.
    Als er offiziell benannt wurde, erinnerte er sich an seine Liste. Er durchforstete sie und ließ seine Mitarbeiter Forschungen über die entsprechenden Personen anstellen. Es gab niemanden, bei dem man nichts fand. Jeder hatte auf seine Weise einen Grund für ein schlechtes Gewissen.
    Loouis Balger rieb sich die Hände.
    Er konnte loslegen!
    Und er bat jede dieser Personen zur peniblen Aussprache. Von zehn Leuten brachte er vier auf den Scheiterhaufen. Er stand, während sie brannten, vor dem Feuer, die Arme vor der Brust verschränkt, und lächelte. Er sah in den Augen der Delinquenten, dass sie wusste, warum sie sterben würden. Man war sich einig. Jedes Mal widerstand er dem Impuls, zu rufen: »Ich bin dick, aber du bist tot!«
    Es wäre stillos gewesen.
    Hatte er ein schlechtes Gewissen?
    Ja. Es gab nicht wenige Nächte, in denen er, von Panikattacken beherrscht, erwachte. Dann versuchte er, seine Angst hinaus zu schreien, doch seine Kehle war so trocken, dass seine Lippen nur ein schwaches Krächzen zuließen. Meist waren die Attacken nach fünfzehn oder zwanzig Minuten vorbei, doch sie waren derart heftig, dass er noch eine ganze Weile später schlotterte und in seinem schweißgetränkten Bett verharrte.
    Dann stand er auf und trank vom guten Wein.
    Der machte ihn so müde, dass er den Rest der Nacht tief schlummernd überstand.
    Ein kleiner Preis für seine Rache.
    Irgendwann war seine Liste abgearbeitet. Dies war der Augenblick, da er merkte, dass ihm sein Beruf nichts mehr bedeutete. Wenn einer der Anwälte, einer von ihnen hieß Darius Darken, sich ihm entgegen stellten, kämpfte er weniger als zuvor. Er wusste im Grunde, dass seine Tätigkeit nichts anderes war, als Bereicherung. Das Hab und Gut des Delinquenten fiel der Krone zu und Balger zweigte einen vereinbarten Teil davon für sich ab. Inzwischen war er stinkreich. Auch Geld bedeutete ihm nichts mehr.
    Genaugenommen war er ohne Ziel.
    Jene, die ihn gequält hatten,

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