Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
nur ich habe überlebt. Welcher Magus hat Euch geholfen, uns durch diesen Tunnel zu führen?«
»Magus? Tunnel?«
Balger bleckte die Zähne. »Ein geheimer Gang ins Tal der Riesen, der sich öffnete und bei unserem Rückweg zu früh schloss. Man wird die Toten nie wieder finden und der Weg ins Tal der Riesen ist gesichert. Ein genialer Plan. Ihr seid ein kluges Weib. Ihr tötet mit Gift, mit dem Gift der Magie. Das einzige, was Ihr nicht erwartet habt, ist, dass die Götter ihre Hand über mich hielten. Dass ich überlebte. Dass ich um Eure Schandtat weiß.«
Er lehnte sich zurück und grinste. Bevor sie den Mund aufmachen konnte, fügte er hinzu: »Ich spare mir weitere Fragen, denn ich kenne die Antwort. Ihr müsst sehr zufrieden sein. Wenn ich mich still verhalte, gehört das Königshaus Euch. Mit mir könnte das noch berechenbarer sein, denn Ihr benötigt einen Berater, jemanden, der Euch den Weg ebnet. Jemanden, der sich bei Hofe auskennt, der Einfluss hat. Mit mir gemeinsam werdet Ihr herrschen! Als erste Frau, die je Königin in Mythenland wurde.«
Er blickte lauernd und sagte: »Ohne mich könnte es sein, dass man Euch vom Hofe verstößt. Es gibt da einige Dinge aus Eurer Vergangenheit, die General Syndar mir mitteilte. Hässliche Dinge.« Er lächelte zufrieden und machte eine sanfte Handbewegung. »Dinge, die der Wind verweht hat.«
Ihre Blicke kreuzten sich. Sie ging aufs Ganze. »Warum bringt Ihr mich nicht um? Die Wahrscheinlichkeit, den Thron zu gewinnen, wäre groß.«
»Nein, wäre sie nicht. Schaut mich an, Lady Grisolde. Abgesehen von meinem Äußeren fürchtet man mich. Einen König, den man fürchtet, stürzt man - früher oder später. Euch hingegen wird man hochachten, wenn Ihr die liebende Witwe spielt und meinen Ratschlägen folgt.«
Grisolde stand auf und entkorkte eine Flasche mit Blütenbrand, einen schweren Likör. Sie füllte ein fingerhutgroßes Kristall und nippte daran, wie es sich gehörte.
»Eure Logik ist beeindruckend, Balger.«
Der Inquister gab keine Antwort.
»Und was ist, wenn der König zurückkehrt?«
Er lachte leise. »Euer Gemahl wird nicht zurückkehren. Niemals! Ich habe es in seinen Augen gelesen. Und sollte ich mich irren…« Er zeigte seine Zähne und zuckte die Achseln.
»Also hat er letztendlich doch bekommen, was er sich wünschte?«
Balger blinzelte. »Verzeiht, ich verstehe nicht…«
Grisolde winkte ab. Sie dachte nach, wobei sie einen weiteren Tropfen Blütenbrand mit der Zungenspitze abtupfte. »Einverstanden, Inquister. Ich lege die Aktion in Eure Hände. In spätestens einer Woche werde ich gekrönt, kann ich mich darauf verlassen?«
Balger erhob sich schwer. »Eine Woche? Selbstverständlich, meine Königin!« Er verneigte sich, warf das Schmutztuch auf den Boden, hob beglückwünschend das Weinglas, leerte es und stapfte hinaus.
Loouis Balger war ein eitler Mann. Er hasste es, wenn seine Kleidung Flecken zeigte. Da er fortwährend schwitzte, wusch er sich regelmäßig und parfümierte sich verschwenderisch. Im Gegensatz du den meisten Männern trug er keinen Bart. Seine Haare waren schattenkurz geschnitten. Seine Kutte wirkte stets geglättet und seine Stiefel sauber. An den Fingern trug er Ringe, um den Hals die Kette der Inquister.
Heute sah er aus wie ein Schwein, das sich in einem Trog gesuhlt hatte - und das war ihm egal.
Das war nicht immer so gewesen.
Schon als Kind war er übergewichtig gewesen und dem Spott und Hohn seiner Mitschüler ausgesetzt. Einer der freundlichsten Namen, mit dem man ihn ansprach, war ‚Fettkugel’. Obwohl er als Erwachsener über diese Demütigungen lachen konnte, quälten sie ihn als Kind maßlos. Eine Kinderseele war zarter und hatte noch keine Kruste gebildet.
Je mehr er sich über die Worte ärgerte, desto häufiger wurde er damit bedacht. Kinder spüren sehr genau, wo die Wunde ist und zögern keinen Moment, den Daumen hinein zu bohren.
Loouis weinte oft und heimlich. Dass man ihn regelmäßig verprügelte, verstand sich von selbst.
Er erinnerte sich, seine Mutter gefragt zu haben: »Warum kann ich nicht so dünn sein wie die anderen Kinder?«
Seine Mutter, ebenfalls sehr rund und klobig, sagte: »Es kommt auf die inneren Werte an, mein Sohn.«
Das mochte sein und Loouis zweifelte nicht daran, doch es nützte ihm wenig, wenn man Schweinebacke oder Specki mal wieder mit dem Gesicht in Pferdedung drückte. Hätte er aufstehen sollen und sagen: »Ich habe gute innere Werte, bitte lasst
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