Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
Augen.
Weit entfernt erhob sich Triomos aus dem See. Es rauschte, als Wasser von ihm ablief wie Schmelzwasser aus den Bergen. Er schnaubte und rang nach Luft.
»Wann ist es vorbei?«, stöhnte Talus.
Okor kam zu ihnen. Seine stachelbewehrten Beine stampften auf den Boden. Seine Augen glühten. Seine Fingerspitzen waren voller roter Blutfarbe. Er wirkte wie ein grausamer Sumpfriese, der Beute machen wollte.
Rons Instinkt sprang an. Er ging in Position und spannte seine Muskeln, zum Angriff bereit. Talus warf ihm eine Keule zu, die Ron geschickt fasste.
Okor grunzte und wetterte: »So ist es, ein Sumpfer zu sein. Ich hatte vergessen, wie erhebend es ist.« Er hob seine Keule und Ron ging in Abwehrstellung.
Okor schlug zu, und Ron wich aus.
Das hatte er nicht erwartet.
Der Sumpfer sprang schneller zur Seite, als man es ihm zugetraut hätte. Seine Keule beschrieb einen Halbkreis und erwischte Ron beinahe. Ohne seine kreisende Bewegung zu unterbrechen, wirbelte Okor die Keule einmal um seine Achse, diesmal jedoch unterbrach er den Lauf und stürmte mit einem Schritt nach vorne. Die Keule bohrte sich fast in Rons Bauch, doch dieser parierte den Schlag. Holz krachte auf Holz und dröhnte durch das im Tal. Ron erfasste, dass er angreifen musste. Das war ihm zuwider, doch der Zorn bezwang die Vernunft. Er holte zu einem grausamen Schlag aus und hob die Keule weit über den Kopf.
»Nein, Okor!«, brüllte Ron. »Das ist nur der Zorn!«
»Der Zorn?« Okor lachte.
Rons Waffe krachte nur knapp neben seinem Gegner in den Fels. Sofort war Okor da und schlug zu. Ron ließ sich fallen und rollte aus der Gefahrenzone. Sein Körpergewicht presste ihm alle Luft aus den Lungen. Er keuchte und rappelte sich auf, während er die Keule sichernd vor sich hielt. Er hatte Glück gehabt, war schnell genug wieder auf die Beine gekommen. Überhaupt war es gut, dass Okor nicht mit einer gespickten Keule kämpfte. Bei einem Zusammenprall der Waffen hätten sich beide verhakt, was fatal enden konnte.
»Warte noch eine Weile, mein Freund«, schnaubte Ron. »Dann ist dein Zorn vergangen.«
Okor schlug seine Keule in den Staub, beugte den Oberkörper vor und schaukelte von links nach rechts. In seinem Gesicht stand absolute Wildheit. Ron zweifelte keinen Augenblick daran, dass der Sumpfer ihn töten würde, wenn er es zuließ.
Beide warteten, schnauften und knurrten sich an. Gleichzeitig machten sie einen Ausfallschritt, die Keulen surrten aufeinander zu, Ron taumelte rückwärts, verlor den Halt, noch immer atemlos vom Sturz und stürzte über einen Felsen. Erneut fiel er hin. Was war los mit ihm? Hatte er das Kämpfen verlernt oder hatte er einfach nur Pech? Dieses Unglück würde ihm das Leben kosten, wenn er sich nicht aus der Bahn der tödlichen Waffe brachte.
Er versuchte, von Okor wegzuschnellen. Seine Hacken wirbelten Staub auf, fanden jedoch keinen Halt. Er stemmte sich gegen den Felsen und schob sich durch den Staub. Seine Lunge pumpte. Sein Atem kam stoßweise.
Er hörte Talus schreien.
Andere Riesen fielen ein.
Ihre Stimmen klangen dumpf und weit entfernt.
Ron hob abwehrend eine Hand. Er rollte zur Seite und kam auf die Knie. Er tastete nach seiner Keule und fand sie. Das schwarze Holz fühlte sich gut an in seinen Fingern. Er mobilisierte alle Kraft und schnellte hoch. Ein mörderischer Schlag gegen die Brust brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Er taumelte zurück. Nur mit äußersten Anstrengungen gelang es ihm, auf den Beinen zu bleiben.
Vor seinen Augen entrollten Bilder. Er erinnerte sich an seinen Kampf gegen Jorgol. Wie leicht es ihm gefallen war, gegen den Sumpfer zu kämpfen. Trotzdem – auch in jenem Kampf hatte es kurze Zeit ausgesehen, als würde er sein Leben verlieren. Dennoch hatte er gewonnen. Weil er nicht aufgegeben hatte? Was war anders gewesen? War es, weil er einfach nur er selbst gewesen war? Ohne Zorn? Ohne Zwiespalt? Ein Kämpfer für die Gerechtigkeit?
Er sah ein, dass er diesen Kampf verlieren würde. Im Grunde war er nicht fähig zu kämpfen. Es lag nicht in seiner Natur. Außerdem fehlte ihm Übung. Den Sumpfern war das Kriegerische in die Wiege gelegt, einem Steinriesen nicht. Fünfhundert Jahre waren eine lange Zeit. Alles hatte sich verändert und doch wieder nichts.
»Okor …«, keuchte Ron. »Okor, du bist mein Freund. Lass nicht zu, was der Zorn dir antut!«
Der Sumpfer zog ein grimmiges Gesicht. Langsam schüttelte er den Kopf. »Es ist erhebend! Es ist gut, einer aus dem
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