Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
Zwergenwesen an und war sprachlos.
»Lassen wir ihn alleine«, sagte der Schwarzbärtige. »Er soll Zeit bekommen, um nachzudenken. Wenn er das nächste Mal schläft, kehren wir zurück. Dann wird er lernen.«
Innerhalb weniger Atemzüge lösten sich die Gestalten auf, fielen zu milchigem Licht zusammen und verschwanden durch die Steinplatten ihrer Särge. Das Maguslicht änderte seine Farbe und weitere drei Atemzüge später leuchtete die Halle der Ahnen wieder in sorglosem angenehmem Blau.
Frethmar winselte und ließ sich auf den Hintern fallen. Die Axt rutschte aus seinen Fingern. Er starrte hierhin und dorthin, doch der Spuk war zuende.
»Das habe ich mir eingebildet…«, murmelte er vor sich hin. »Das war nicht real. Das war nur in meinem Kopf.« Er wusste, dass er sich etwas vormachte. Sein Proviant lag weiter links, wo er sich zum Schlafen hingelegt hatte. Er kroch dorthin und leerte den Wasserschlauch bis zur Hälfte. Nachdem er das getan hatte, fuhr schneidende Furcht durch seine Glieder. Bei den Göttern, er hatte zu viel getrunken, viel zu viel. Er hatte vergessen, wie viel Zeit noch vor ihm lag. Oh nein! Er wischte sich den Schweiß vom Gesicht und versuchte, sich zu beruhigen. Es dauerte eine Weile, bis das Zittern nachließ und der Drang, sich einzunässen. Er rappelte sich auf und erleichterte sich, was ihn ekelte, da die Halle keine Ecke hatte, in der er sich dafür verstecken konnte.
Wie lange hatte er geschlafen?
In Anbetracht seines Bartwuchses konnte durchaus eine Woche vergangen sein. Unsinn – dann würde er viel hungriger sein. Obwohl – gegen einen lecker knusprig gebratenen Spronk hätte er nichts einzuwenden gehabt.
»Sie wollen wiederkehren«, flüsterte Frethmar, als fürchte er, man könne sein Selbstgespräch belauschen. Er meinte nicht die Spronks. »Sie wollen mich etwas lehren, etwas, das mir Schmerzen bereitet.«
Es schauderte ihn.
»Sie sagten, wenn ich das nächste Mal schlafe, kehren sie zurück.«
Frethmar beschloss, wach zu bleiben.
Frethmar Stonebrock wurde gewahr, dass Einsamkeit totale Isolation bedeutet. Er war einsam und fühlte sich ausgeschlossen aus dem Kreis der Lebenden. Er hatte es mit Gefährten zu tun, die allesamt tot waren. Sie lauerten in ihren Särgen und warteten, dass ihn der Schlaf übermannte.
Er dachte nicht daran, einzuschlafen.
Er hielt sich wach.
Er sang vor sich hin.
»Tote Zwerge in der Halle,
wollen schänden meine Seele
kommen zu mir, warten alle,
ich mich mit dem Wachsein quäle.
Schlafen ist des Helden nicht,
bei den Göttern, sie ihn warnen,
blasen ihm dann aus das Licht
Zwergdämonen ohn’ Erbarmen!«
… oder so ähnlich ging es ihm über die Lippen. Wenn er es mit einer Melodie unterlegen wollte, lösten die Zeilen sich auf und verbrannten hinter seinen Lidern.
Nach einiger Zeit begann es in seinem Kopf zu summen. Immer wieder fielen ihm die Augen zu. Dann marschierte er durch die Halle und klopfte sich auf die Brust. Einigermaßen geweckt ließ er sich nieder, nur um erneut gegen den Schlaf anzukämpfen. Geräusche erschreckten ihn, Laute, die er in seiner Phantasie hörte, von denen er ahnte, dass sie nicht wirklich da waren.
Er hatte Hunger und Durst.
Seine Zunge war ein pelziges Ding und das Schlucken fiel ihm schwer. Sein Magen knurrte erbärmlich und als er das nächste Mal seinen Proviant auspackte, brachte er es nicht fertig, Reste davon zu verstauen. Er aß und trank, was noch da war. Das machte ihn noch müder.
Längst hatte er die Vorstellung, dass Chator seinen weißen Bart raufen würde, abgelegt. Es galt nicht mehr, andere Leute zu gewinnen, er musste sich selbst überzeugen. Er kam sich vor wie in einem Labyrinth der Spiegel, von dem er irgendwann gelesen hatte. Wohin er blickte – er sah sich selbst, blickte in sich hinein und wunderte sich darüber.
»Mir geht es wie euch«, sagte er zu den Särgen gewandt. »Ich bin alleine mit mir. Der einzige Zwerg, dem ich mich stellen muss, bin ich selbst. Und ich frage mich, ob mir gefällt, was ich sehe.«
Er lauschte. Waren sie wieder da, die wispernden Stimmen? Antworteten sie ihm? Er spürte, dass seine Wahrnehmungen verwehten und nicht alles, was er empfand, hörte, roch und spürte, wirklich war.
»Ihr wartet darauf, dass ich einschlafe. Dann wollt ihr mich quälen. Gut zu wissen. Ihr werdet euch wundern. Ich werde wach bleiben bis ans Ende der Woche.« Er lachte heiser und es kam ihm ein bisschen irre vor. Er erschrak und
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