Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
sich an Frethmar Stonebrock erinnern!«
Die Stimme kicherte erneut.
Ein eitler kleiner Kerl!
»Von wegen eitel. Ich bin ehrgeizig. Das ist etwas ganz anderes. Und ich bin tapfer. Jeder andere hätte schon längst den Verstand verloren, doch ich nicht.«
Bist du dir sicher?
»Was soll das bedeuten? Selbstverständlich bin ich mir sicher. Ich bin ein Held, also lege dich nicht mit mir an.«
Dann beweise es. Schlafe und schau, was geschieht!
Frethmar zögerte. Vielleicht hatte die Stimme Recht. War er tapfer, wenn er sich den Drohungen der Zwergengeister entzog? Vernünftiger war es gewiss, doch war es eines Helden würdig? Außerdem gab es noch einen guten Grund, die Augen zu schließen. Wer schlief, hungerte nicht!
Er stapfte durch die Halle, schlug verdrießlich mit der flachen Hand gegen die Särge, verschränkte die Hände hinter dem Rücken, kraulte sich den schon wieder gewachsenen Bart, äugte zum Buch, dass mit den geöffneten Seiten nach unten im Staub lag und fasste einen Entschluss:
Er würde schlafen! Ja, das würde er. Täte er es nicht, würde er sich den Rest seines Lebens Vorwürfe machen, nicht zu wissen, was hätte geschehen können. Er war stets wissbegierig gewesen, auch wenn viele ihn unsensibel neugierig nannten. Pah, was wussten die schon? Wer nicht fragte und hinschaute, blieb unwissend.
Er griff die Axt. Sie war kleiner als jene, die er sich selbst geschmiedet hatte, doch sie würde ihren Zweck erfüllen. Was auch geschah – er würde sich zur Wehr setzen. Wenn die Woche vergangen war, würde er den Weibern Geschichten erzählen können, die sie ihr Leben lang nicht vergaßen. Sie würden seine Nähe suchen und er würde, würde…
Frethmar hockte sich mit dem Rücken an einen Sarg. Langsam streckte er die Beine aus.
Und er würde, würde…
Er gähnte und war auf der Stelle eingeschlafen.
Die Stille weckte Frethmar. Er blinzelte, rieb sich das Kinn
Der Bart ist fingerlang! Wie kann das sein?
und schnellte hoch. Die Axt befand sich noch zwischen seinen Fingern, der Hammer war nur ein Handgriff weiter. Er schüttelte den Schlaf ab und traute seinen Augen nicht. Auf den Särgen hockten Zwerge und Zwerginnen jeder Größe und jeden Alters. Bei einigen sah er sofort, dass es sich um Zwerge einer weit zurück liegenden Epoche handeln musste, da ihre Kleidung sich von der seiner Zeit unterschied. Manche trugen Stirnbänder, andere Helme, wieder andere hatten sich Knochen in die Haare geflochten. Viele der Weiber waren prächtig geschmückt. Das alles war nicht erschreckend. Schlimm war, dass sie alle
lebendig!
wirkten. Sehr lebendig sogar. Einen Herzschlag lang vermutete Frethmar, die Sache mit den Geistern nur geträumt zu haben. Als er jedoch die Zwerge musterte, erkannte er nicht einen von ihnen. Er wusste, dass nicht alle in der Halle der Ahnen ihre letzte Ruhe fanden. Viele wünschten sich eine Seebestattung, andere wieder wollten sechs Fuß tief begraben werden. Er dachte nach, wer zuletzt gestorben war, doch ihm fiel niemand ein. Zwerge verfügten über eine außerordentliche Konstitution und es gab selten Todesfälle. Dennoch musste es hier einen geben, den er kannte. Auch wenn er selbst noch nicht sehr alt war, mussten in der Zwischenzeit Zwerge verstorben sein.
Er löste sich aus seine Starre und sagte mit bebenden Lippen: »Warum starrt ihr mich an?«
Der mir dem schwarzen Bart, Frethmar erkannte ihn sofort wieder, brummte: »Wir warten!«
»Worauf?«, stammelte Frethmar. »Ich habe geschlafen, doch nichts von einer Strafe verspürt. Wolltet ihr mir nur Angst einjagen?«
»Dinge haben sich verändert«, sagte eine Zwergin.
Wieder ein anderer: »Du hast dich gegen die Dämonen erwehrt. Du warst tapfer und hast versucht, dich ihnen zu stellen.«
Der Schwarzbart nickte. »Das ist erfreulich.«
»Na gut!«, tönte Frethmar. »Dann könnt ihr euch jetzt wieder in eure Särge verkriechen und mich in Ruhe lassen.«
»Das ist nicht so einfach«, sagte die Zwergin.
»Na klar ist das einfach«, rief Frethmar. »Ihr löst euch auf und weg seid ihr.«
Ein grauhaariger Zwerg, der mindestens dreihundert Jahre gelebt haben musste, krächzte: »Schau hinter dich und du verstehst.«
Frethmar drehte sich langsam um. Ihm stockte der Atem.
»Du hast sie befreit«, sagte einer der Zwerge. »Sie sind stärker als wir. Mit ihnen hast du nun zu tun. Sie nehmen uns die Arbeit ab.«
Zzzzeesch!
Schon wieder die grausige Schlange. Sie fuhr auf Frethmar zu, ihre spitzen Zähne
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