Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)

wenig Proviant. Frethmar kraulte sich das Kinn, als trüge er einen Bart. Tatsächlich wuchsen die ersten Stoppeln, was ihn mit Glück erfüllte.
    Weniger glücklich war er mit der Strafe, die man ihm aufgebrummt hatte. Bei den Göttern, er hatte sich geprügelt. Na und? Das kam täglich vor.
    »Das kommt zu häufig vor«, hatte Chator, dieser angeberische Zwerg vom Clan der Keldorner, gewettert. »Deshalb sollst du Zeit zum nachdenken haben, Frethmar Stonebrock! Du wirst sieben Tage und sieben Nächte in der Halle der Ahnen verbringen, um zu dir zu finden!«
    Frethmar kam es so vor, als hätten die vom Rat nur darauf gewartet, ihm einen Denkzettel zu verpassen. Er wäre nicht Frethmar Stonebrock gewesen, hätte er nicht folgendermaßen geantwortet: »Na und? Dann kann ich mich endlich mal ausruhen.«
    Man kann nicht sagen, dass diese Antwort seine Strafe verzögert hätte.
    Nun war er hier und beschloss, das Beste aus seiner Situation zu machen. Er wusste, er würde hungern und dürsten müssen. Pah, das würde ihn nicht umbringen!
    Bei der Halle handelte es sich um einen unterirdischen runden Raum, dessen Felsdecke von Steinstempeln gestützt wurde. Um von einem Ende der Halle zum anderen zu laufen, hätte Frethmar mehr als fünfhundert Schritte benötigt, und die in alle Richtungen. In der Mitte der Halle standen Statuen und lagen Bücher auf Steinquadern, von denen Spinnweben hingen und auf denen der Staub lagerte. Die Wände wurden von Steinsärgen begrenzt, einer neben dem anderen, sodass die Särge wie eine aufgeplatzte Blüte wirkten, deren Blätter sich schneckenförmig bis zum Zentrum der Halle ringelten. Die Halle der Ahnen war nichts Geringeres als ein unterirdischer Friedhof!
    Frethmar hatte von diesem Ort grausige Dinge gehört und es lag in seiner Natur, dass er das alles nicht ernst nahm.
    Er setzte sich auf einen Sarg und ließ die Beine baumeln. Das aus Dandoria importierte Maguslicht tauchte die Halle in ein mildes blaues Licht.
    »Also gut«, hörte er sich sprechen. »Ich werde eine Woche lang mit tausenden Toten zusammenleben. Welche Eigenart haben Tote? Sie schweigen und schlafen auf alle Ewigkeit. So weit so gut. Also muss ich mir die Zeit vertreiben. Ich könnte die dicken staubigen Bücher lesen. Ja, das würde mir die Zeit vertreiben.« Er strich über den Wasserschlauch. »Außerdem muss ich mir das Wasser einteilen und meinen Proviant. Auch gut! Langeweile werde ich also nicht verspüren.« Er lachte leise. »Chator wird sich seinen weißen Bart raufen, wenn er in einer Woche den Eingang öffnen lässt und ich quietschfidel hier raus spaziere. Schade ist, dass man mir Papier und Kohle verwehrt hat. Also muss ich die Oden, die ich dichten werde, auswendig lernen.«
    Frethmar zuckte etwas zusammen, als seine Stimme wie ein feines Wispern von den Wänden echote.
    Er trank hastig einen Schluck. Er beugte sich vornüber und stützte seine Ellenbogen auf die Oberschenkel. Seine Axt und den Hammer hatte er neben dem Quader mit den Büchern abgestellt.
    »Ich frage mich«, murmelte er vor sich hin »warum man mir die Waffen mitgegeben hat? Hier gibt es nichts außer mich und die Verstorbenen.«
    Er rutschte von der Sargkante und ging zu den Büchern. Er pustete den Staub von den Umschlägen und öffnete eines davon. Aha, hier handelte es sich um Zwergengeschichte. Er las eine Seite und noch eine Seite und schlug das Buch zu. Das war nichts Neues für ihn. Stets die gleichen Geschichten.
    Seit Gedenken stritten sich Elfen und Zwerge darum, wer das Erste Volk im Land der Mythen gewesen sei, wobei einige Blinde Magister meinten, das seien die Riesen gewesen.
    Das mit den Riesen wehrten die Zwerge vehement ab, da sie sich für ein Volk hielten, das so wie es war von Beginn der Zeit an existierte. Legenden zufolge kamen sie aus dem Norden. Besonders die später auf Mythenland erscheinenden Menschen dachten, Zwerge verkörperten die geheimnisvollen Urkräfte im Inneren der Erde. Das war Unsinn, wie so vieles, was Menschen in andere Rassen hineindichteten. Offensichtlich benötigten diese hochgewachsenen Wesen stets eine Erklärung für alles und schoben diese jenen Völkern zu, die sie nicht kannten. Besonders unangenehm war, wenn Menschen Zwerge mit Gnome verwechselten.
    Unstrittig war die Liebe der Zwerge zum Gold.
    Sie schufen unterirdische Säle, die sie mit Lichtern beleuchteten, sodass die Goldadern schimmerten und Kristalle glitzerten.
    Sie förderten Edelmetalle und schmiedeten.
    Brurill der