Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
Sie sangen von Ravork dem Flinken, der sich gegen eine Streitmacht der Elfen stellte und blitzschnell sechs des Schönen Volkes enthauptete, bevor er den Tod fand. Dann konnte es geschehen, dass sie Tränen in den Augen hatten und sehnsüchtig an Zeiten zurück dachten, in denen sie auf Kreuzzug waren und ihren Weibern reiche Schätze in die Nordlande brachten.
Auch lachten sie gerne. Zumeist über raue Scherze oder wenn ein Junge ungehorsam gewesen war und den Weg über die Ebene auf den Knien zurücklegen musste, was ihn ein für alle mal kurierte.
Sie konnten grausam sein, waren aber stets gerecht. Sie waren ihren Weibern treu – solange sie zuhause waren. Unterwegs nahmen sie, was sie fanden und hinterließen dem Land der Mythen unzählige starke Kinder.
Ascor, der Schamane, streute Samenkapseln in das Feuer und verwedelte den Rauch. Sie atmeten ihn ein, schlossen die Augen und flogen mit dem Adler. Das war noch schöner als Saufen, denn es führte sie tief zu sich selbst.
Korgath war ein angesehener Clanführer. Man respektierte seine Loyalität und seine Gerechtigkeit. Man wusste, dass er tapfer war wie ein Ur und stark wie ein Halbgott. Deshalb gab es nicht wenige, die der Meinung waren, Korgath müsse über Mythenland herrschen. Er, der breitschultrige Hüne mit dem kurz gepflegten Bart und dem Eisenhelm sei der richtige, um Affen wie König Rondrick abzulösen und endlich Erzherzog zu werden.
Es kam nicht selten vor, dass Korgath sich diese Option über die Lippen gleiten ließ wie süffigen Wein. Er wusste, dass er ein guter Herrscher sein würde. Doch er wusste auch, dass zuvor Unmengen Blut fließen würden.
Er war ein bedachter Mann und er wusste, wie so etwas enden konnte.
Weiter nördlich lebte vereinsamt der Barbarenkönig Ivor auf seiner Trutzburg, die man die Nordfeste nannte. Dieser war gegen den Erzherzog von Trüdje gezogen. Beide Heere hatten sich derart aufrieben, dass die wenigen Überlebenden den Untergang ihrer Reiche gemeinsam begossen, um schließlich als Graue Bande die Nordlande unsicher zu machen.
Es gab also keinen Erzherzog mehr, sondern nur noch einen alten Kerl, der auf seinem Thron saß, trauerte und soff.
Dafür gab es Wegelagerer und Strauchdiebe, die wie Tiere wüteten und den Namen der Barbaren in den Dreck traten. Jeder würde annehmen, es handele sich bei den Männern um Barken. Wenn Korgath einen der Grauen Bande zu fassen bekam, tötete er ihn erbarmungslos.
Korgath hatte drei seiner Männer Richtung Dandoria geschickt. Er hatte ihnen aufgetragen, alles zu sehen, sich alles zu merken und nach ihrer Rückkehr alles zu berichten. Die Männer waren nicht zurückgekehrt – bisher. Er würde sich gedulden müssen.
Der Schamane blickte auf.
Sein dunkler Blick bohrte sich in Korgath, dessen Schädel zu summen begann, während der Rauch seine Wirkung tat.
»Fühlst du dich schuldig?«, fragte Ascor und lächelte – jedenfalls nahm Korgath an, dass der hagere Schamane lächelte. Ganz sicher war er sich nicht, auch der Satz echote in seinem Kopf. Hatte Ascor ihn gesprochen oder war er in Korgaths Inneren entstanden?
Er liebte die Geselligkeit mit seinen Männern. Die Weiber bewohnten eigene Zelte, was gut so war. Wenn Männer untereinander waren, formten sie Kraft, Stolz und Mut wie Lehm zu einem großen Ganzen. Oder sie trieben in ihre Träume, wie es jetzt der Fall war.
Korgath versuchte, den Schamanen zu ignorieren. Er schloss die Augen, lehnte sich gegen das Fell und dachte an Connor von Nordbarken, seinen Sohn.
Connor wurde als erster Sohn des Kriegers Korgath von Nordbarken geboren. Er war ein kräftiges Kind und Korgath war zufrieden. Aus diesem Prachtkerl würde ein großer Kämpfer werden, ein wahrer Barke, ein Barbar! Schon früh rang Connor mit Tieren und stets gewann er. Verletzungen, die er dabei davontrug, schienen den Jungen nicht zu stören, was man von seiner Mutter, Soffia Flækingurdor, nicht behaupten konnte. Korgath nehme den Jungen zu hart ran, meinte sie.
»Er ist doch erst drei«, sagte sie und versorgte die Wunden.
Korgath brummte. »Er ist schon drei, wolltest du sagen. Je früher er lernt, dass er siegen kann, desto stärker wird sein Selbstbewusstsein.«
Soffia verdrehte die Augen. Woher sie kam, wurden die Jungen in den ersten zehn Jahren ausschließlich von der Mutter erzogen, bevor sie in die Hände der Männer übergeben wurden. Von da an hatte eine Mutter keine Rechte mehr an ihrem Kind. Hier, bei den Barken, war das
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