Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
sich hin und streichelte Bambas Haare. Ihre Tränen waren getrocknet. An deren Stelle war ein steinerner Ausdruck getreten, der Bob erschütterte. Als sie ihren Blick hob, blitzte Hass in ihren Augen. Ein rotes Glühen, als habe sich ein Drachenblick in ihr manifestiert.
Bob war nicht so weit. Er empfand schlichtweg – nichts! Ihm war kalt, obwohl die Sonne auf Fuure niederbrannte.
Ein Gedankenhauch huschte durch seine Verzweiflung.
Wir müssen Bluma finden!
Und ein zweiter Gedanke gesellte sich dazu: W ie?
Lebte sie noch? Oder war das nur eine Illusion?
Gespenstische Stille lag über dem Dorf. Kaum eine Hütte hatte dem Angriff der Drachen standgehalten. Heute würden sie – soweit sie überhaupt Schlaf fanden – unter freiem Himmel nächtigen müssen. Morgen würden sie mit dem Aufbau beginnen. War das überhaupt möglich? Würde die Gemeinschaft für einen Neubeginn genug Kraft entwickeln?
Auf dem Dorfplatz stapelten sich die Leichen von Barbs und Trollen. Einige Vermisste hatte man gefunden, andere waren verschwunden. Ein bitterer Gestank lag über dem Dorf, der vom gigantischen Kadaver des Drachen herrührte, den Bob erschlagen hatte. Das rote Tier hatte selbst im Tod nichts von seiner ehrfurchtgebietenden Gestalt eingebüßt und Bob fragte sich, wie man sich der Leiche entledigen konnte. In dieser Hitze würde der Verwesungsprozess bald eintreten.
Bob würde diesen Gestank nie vergessen. Er war es, der sich in seine Seele brannte, als habe der Feuerhauch eines Drachen ihn direkt ins Innerste getroffen. Die schmalen Reptilienaugen, jedes so groß wie der Kopf eines Barb, waren geöffnet und über die schmalen Pupillen hatte sich ein milchiger Schleier gelegt.
Bob spürte, dass er haderte, dass er über Gerechtigkeit nachzudenken begann und darüber, dass es Dinge gab, die einfach nicht sein durften . Würde er gleich seine Augen öffnen und alles wäre wieder nur eine Vision gewesen? Dieses Massaker war viel zu unwirklich, als das es tatsächlich geschehen sein konnte. Bob lernte in wenigen Augenblicken sehr viel über das Unveränderliche. Und einiges über das Schicksal.
Sein Kopf fuhr herum, als Stimmen laut wurden. Als sich eine Aura des Hasses aufbaute, die er fast körperlich spürte.
Hinter einer Brandruine taumelte eine Gestalt hervor. Sie war gut doppelt so groß wie ein Barb aber nicht viel breiter, hatte braune Haut und lange blonde Haare. Das Gesicht war schmal und dunkle Bartstoppeln schattierten die Wangen. Die Augen der Gestalt, die Bob sofort als einen Menschen identifizierte, glühten. Die Lippen des Mannes waren zerrissene Fetzen, auf seinem muskulösen Körper hatte die Sonne schlimme Verbrennungen hinterlassen.
Der Mann wedelte hilflos mit den Armen und sein Mund formte in der Großen Sprache das Wort Durst.
Man musste die Menschen nicht besonders gut kennen, um wahrzunehmen, dass dieser Mann mit seinem Leben kämpfte und kurz davor war, für immer die Augen zu schließen.
»Durst ... Wasser ...«, krächzte er und fiel auf die Knie in die Asche.
Einige Barbs murrten, ein anderer hob einen Stock, irgendjemand griff sich eine im Sand liegende Axt. Mit langsamen Schritten näherten sie sich dem Mann.
Und Bob erkannte, was geschehen würde. Sie benötigten etwas, um ihrer Verzweiflung Luft zu schaffen und sie konzentrierten sich auf den Fremden, den Eindringling, diesen blonden Mann, der ihre Gefühle nun genauso okkupierte, wie es die Drachen getan hatten. Ihnen war egal, wer er war und warum er hier war. Für sie war er fremd, ebenso fremd wie Drachen, wie Zerstörung, wie Ungerechtigkeit. Sie mussten ihren Überdruck loswerden. Sie würden den Fremden töten. Später würde man sich Gedanken darüber machen. Jetzt war keine Zeit dafür.
Zuerst würden sie ihn töten, als Erstes handeln, dann denken!
Bob warf einen Blick auf Bama und seinen toten Sohn. So viel Leid. So viel Kummer.
Sollte dies alles mit einem unsinnigen Mord enden? Broom, der Gott des Lebens, würde das nicht wollen.
Noch war Bob Häuptling. Noch erwartete man von ihm, dass er die Übersicht behielt. Oder war dies nicht mehr so? Hatte sich die Gemeinschaft der Barbs aufgelöst?
Bob ahnte, dass er es gleich erfahren würde.
5. Kapitel
Spannt man zwischen Fuure und Dandoria ein gleichschenkliges Dreieck Richtung Norden, liegt dort die Insel Gidweg, etwa dreihundert Seemeilen von Dandoria entfernt. Über die Entfernung nach Fuure muss nicht mehr berichtet werden. Genau genommen
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