Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
die Stollen waren vom Drachenhauch so heiß, dass man sie kaum betreten konnte.
Reiß dich zusammen!, rief Frethmar sich zur Ordnung.
Kili leerte seinen Humpen und schlich sich mit gesenktem Kopf Richtung Ausgang. »Hast Recht, Fret. Ich bin ein feiges Arschloch. Du aber auch.« Dann war er draussen.
Frethmar verdrehte die Augen.
»Manchmal sollte man dir die Zunge rausschneiden, Junge«, brummte Walberan.
»Ja, aber, ich hatte ...«
»Halt die Klappe!«, fuhr Noribur hoch.
Frethmar beschloß, seine Barthaare aufeinander zu behalten und leerte den Becher.
Für eine Weile herrschte eine unwirkliche Stille.
Wie üblich war es Frethmar, der die ersten Töne von sich gab. »Hört mal zu. Für alles gibt es einen Grund. Also – die Drachen...«
»Und jetzt hör du mir mal zu, Fret«, ging Walberan dazwischen und sein Bauchspeck wabbelte. »Du magst ja recht haben mit deiner Ursachenforschung und die werden wir betreiben. Allerdings nicht jetzt! Verstehst du? Das interessiert im Moment niemanden. Wir müssen zuerst damit klar kommen, dass unsere Welt innerhalb einer halben Stunde zusammenbrach. Klugscheißerei können wir jetzt nicht gebrauchen.«
»Ich bin doch nur neugierig«, wehrte sich Frethmar.
»Sag mal – wo hast du dir eigentlich deine dunkle Stimme gekauft, Fret?«, fragte Walberan. »Wenn’s richtig wäre, müsstest du piepsen wie ein plapperndes Marktweib.«
Frethmar war zufrieden, dass niemand sah, wie er unter seinem Bart eine Schnute zog, und fragte sich, ob er es nicht tatsächlich übertrieb. Sah er nicht, dass Noribur große Schwierigkeiten hatte, weitere Tränen zurückzuhalten? Begriff er nicht, wie es Walberan ging? War er berechtigt, Kili zu kritisieren?
Er kratzte sich den Schädel und versenkte seine Nase im Humpen. Nach einer Weile blickte er auf und brummte sehr leise. »Bei allen stinkenden Steinkriechern. Es tut mir leid, Freunde.« Er schob sich näher neben Noribur und legte ihm den schweren Arm über die Schulter. »Onara war dabei, stimmt’s?«
Noribur nickte dumpf.
»Die du so geliebt hast, stimmt’s?«
Noribur zog Schnodder hoch und nickte erneut.
»Und das geht dir mächtig auf die Seele, stimmt’s?«
Noriburs Bart zuckte.
»Würde mir auch so gehen, Nori. Ich wollte, ich könnte dir helfen ...«
»Halt einfach die Klappe«, murmelte Noribur.
»Ja, einverstanden«, gab Frethmar zurück und war erstaunt, als er seine Finger in Noriburs Haar wiederfand und erstaunter war er, als ihm deutlich wurde, dass er das Haar des Zwerges streichelte.
Zwei Stunden später ging es im Goldenen Brocken wüst zu.
Ein Fremder hätte gemeint, hier würden Zwerge ein Fest feiern, aber so war es nicht.
Sie trauerten.
Sie füllten die Schenke bis in den hintersten Winkel, stopften sich voll mit Käse und Brot, tanzten und hüpften, schunkelten und begrapschten sich. Einige urinierten und furzten, andere erbrachen sich unter die Tische. Sie gossen Wein und Bier in sich hinein, als wäre es der letzte Tag ihres Lebens und nicht wenige fühlten sich so.
Die von Körperwärme stehende heiße Luft war hinreichend gesättigt, um jeden zu nähren, der sie atmete. Sie war geschwängert mit den Gerüchen von gekochtem Crockerfleisch, von gebratenen Enten, von Schweiß, von Holzrauch und von Tränen. Brüllende Ausbrüche von Gelächter erhoben sich, manch einer fing an zu weinen, andere heulten mit, je leerer die Krüge wurden, es war ein Toben, dass Wände und Tragbalken erzitterten.
Frethmar war betrunken, genauer gesagt, er war stockbesoffen. Lediglich Walberan, der Wirt, behielt die Übersicht. Hin und wieder griff er sich einen zu sehr Betrunkenen und warf ihn eigenhändig raus. Gleichermaßen fand er für jeden Trauernden ein nettes Wort, tröstete die Weiber und knuffte die Kerle.
Die Grabhallen würden kaum ausreichen, um allen Toten Raum zu geben. In zwei Tagen würde eine große Trauerzeremonie abgehalten werden, dann, wenn die Nachwirkungen dieser Nacht vergangen waren.
Frethmar fühlte sich einsam. Sogar in ihrer Trauer waren die Gidweger miteinander verbunden. Sie lagen sich in den Armen, sie rotzten sich auf die Schulter, sie drückten sich, manch einer fummelte mehr, als es gut war, andere wiederum fanden durch die gemeinsam getragene Last ihren Humor wieder.
Kili war zurückgekehrt, seine Dainna im Schlepp. Sie waren beide gut abgefüllt und Kili ließ sich Muscheln in den Bart flechten. Er lachte und weinte gleichzeitig. Seine breiten Hände schlugen den
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