Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
aufgewachsen bei den Wan'girs, Halblingskind und Sohn der sechs Aspekte, die über unser Volk wachen.«
Die Elfe trat vom Pult zurück, legte den Kopf zur Seite und glitt langsam auf ihn zu. Jetzt war er es, der ihre geistigen Fühler auf sich spürte und sie dennoch gewähren ließ.
»So viel Macht schlummert noch in dir, kleiner Hüter. So viel Leidenschaft, die nach einem Weg sucht, sich mit dem Zauber, der sich aus den Erdlinien speist, zu verbinden«, wisperte sie, während sie ihn umrundete.
Und er hielt still.
Hielt still, als die Berührungen intensiver wurden, sich um sein Herz wanden, um seine Seele und die Bilder seiner Vergangenheit. Streichelnde Bewegungen, die ihn erst zum Seufzen brachten und dann die Tränen in die Augen trieben.
»Gib sie auf«, hauchte Mandraeja. »Gib die Kontrolle auf und lass die Vermählung deiner zwei Seiten zu.«
»Ich kann nicht«, keuchte Agaldir. »Ich wäre nur mehr ein Sklave meiner Instinkte.«
»Du vergisst, daß Agaldir kein Elf ist, Mandraeja.« Vaadh hatte es unterdessen geschafft sich zu erheben. Die Handflächen auf das Pult gedrückt, stand er leicht vorgebeugt da und schien Agaldirs Blick zu suchen. »Er ist kein Elf«, wiederholte der Magus ernst. »Er hat keine Zeit, Jahrhunderte damit zu verbringen die beiden Flüsse in Einklang zu bringen.«
»Was er braucht ist Vertrauen, nicht Zeit«, erwiderte Mandraeja ruhig und zog langsam und behutsam ihre geistigen Fühler zurück. Agaldir schluchzte, als der Faden ihrer Verbundenheit abriss und auch der Mantel des glückseligen Friedens sich hob und davon wehte.
»Seid Ihr gekommen, um uns eine Lehrstunde über Gefühle und die Endlichkeit des Seins zu erteilen?«, fragte der erste Ratsvorsitzende barsch.
»Glaubt der Rat, er hätte nichts mehr zu lernen?« Unbeeindruckt hielt die Elfe ihren Blick auf Agaldir gerichtet. »Aber ich habe in der Tat besseres zu tun, als mich bei euch als Lehrmeisterin zu versuchen.«
Noch nie in seinem Leben hier in Dandoria und im Schoß der ehrenwerten Magiergilde hatte der Halbling jemanden so unverfroren mit den Magistern reden hören. Selbst der König hatte ihnen bei den wenigen Anlässen, bei denen auch Schüler zugegen sein durften, stets ausgesuchte Höflichkeit entgegengebracht.
Zähneknirschen war hinter dem Pult zu vernehmen, bevor der Magistrat sich zu einer Antwort durchrang. "Dann sprecht und sprecht rasch. Was ist euer Anliegen?"
Mandraeja schob ihre Kapuze zurück, so daß Agaldir das erste Mal mehr als nur die schimmernden Augen sehen konnte. Der Kopf ganz von silbrigweißem Haar umhüllt. Dabei war ihr Gesicht schmal, wirkte jung und von so zartweicher Haut bespannt, als wäre sie kaum vor einer Stunde in diese Welt gekommen. Ihre Nase zog sich gerade bis hinab zu einem scharf umrissenen, leicht vorgewölbtem Mund und versteckte das kleine Grübchen auf ihrem Kinn.
Doch das, was den Halbling am meisten faszinierte, waren die fein gezogenen nachtblauen Zeichnungen, die sich von einem Sternsymbol auf der Stirn zu beiden Seiten die Schläfen hinab zogen und erst auf der Mitte des Halses ihr Ende fanden.
Wozu ist das?, wollte Agaldir fragen, doch die Elfe kam ihm mit ihrer Antwort an den Magister zuvor.
»Solituúdes Späher haben gemeldet, daß der nördliche Durchgang zwischen Mythenland und Unterwelt geöffnet wurde. Die Schutzbarrieren sind zerstört.«
Eine Weile lang herrschte Stille im Saal, dann räusperte sich einer der Magistraten und auch Claudel schien verspätet wieder aus seiner Starre erwacht zu sein. »Dann müssen die magischen Schilde eben erneuert werden, egal was es kostet!«, rief er und warf sich die Faust voller Pathos an die Brust.
»Zu spät. Ich bin hier, um euch die Wahrheit zu verkünden und eine Warnung auszusprechen«, unterbrach Mandraeja weitere von Claudels Ausführungen. »Die Wächter haben ihre Brut ausgesandt, um die Seelen Lebender zu sammeln. Ich rufe euch zum Kampf, Magier Dandorias! Eilt Euch, denn die Dämonen haben die Stadt bald erreicht!«
Mit diesen Worten stülpte sich die Botschafterin ihre Kapuze über das Haar, zog sie tief ins Gesicht und breitete abermals ihren magisch gewebten Mantel des Friedens über die Anwesenden. Ein letzter Blick, stumme Worte in Agaldirs Kopf, dann eilte sie hinaus.
Wenn das Schwarz der Nacht schwindet, erwarte mich, Halbling.
Agaldir saß auf dem Bett in seiner Kammer und starrte aus dem Fenster. Hatte er sich Mandraejas Worte nur eingebildet? Hatte sie gespürt, wie
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