Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
war das Werk vollendet und der Maler wies Agaldir an, aufzustehen und sich von Marcos waschen zu lassen.
Statt hinzugewonnene Macht, spürte Agaldir nichts als Schwäche. Taubheit überzog den Körper, dort wo die Feder die magischen Linien hatte in die Haut fließen lassen. Und so blieb es, auch wenn Tedley ihm beteuerte, daß der Tag kommen würde, an dem er bereit dafür war, zu nutzen, was er im Tausch für sein Sehen erhalten hatte.
Wochen vergingen, Monate verstrichen, in denen der Halbling für sich blieb und wartete.
Und mit der Zeit verlor sich der Ruf nach Rache, bis nichts mehr außer Trauer übrig war. Aber auch die schwand, wandelte sich und wuchs zu einer neu erstarkten Ernsthaftigkeit heran, die fortan sein Leben prägen sollte.
Seine Blindheit wurde ihm zu einem teuren Freund, den er pflegte und mit dem er über seine restlichen Sinne Zwiesprache hielt. Er lernte seine geistigen Fühler ganz selbstverständlich nach der äußeren Welt auszustrecken, während er durch das Dunkel wanderte. Erinnerungen an das, was ihn einst mit seinen Göttervätern verbunden hatte, trieben an die Oberfläche, mischten sich zwischen das Wissen seiner von Kontrolle und Strenge dominierten Ausbildung und wuchsen so zu einer Magie die endlich beides in Einklang brachte - so wie es Mandraeja einst vorrausgesehen hatte, als er ihr im Ratssaal begegnet war.
Weltvergessen und vergessen von der Welt wanderte er durch die Gassen der Stadt, ließ das geschäftige Treiben der Bewohner an sich vorüberziehen, besuchte den Hafen, nur um das Salz in der Luft zu schmecken und schlenderte die Küste entlang im Dialog mit Felsen, Strand und Wellen.
Nie in der ganzen Zeit mischte sich etwas in diese Gespräche ein, bis der Tag kam, an dem sich die Ereignisse jährten.
Agaldir hatte wie immer die Schritte zum Hafen und an die Küste gelenkt, spazierte den felsigen Strand entlang, blicke mit wachen Sinnen um sich und fühlte im nächsten Moment eine so gewaltige Welle an Frieden und Glückseligkeit in sich strömen, daß er auf die Knie sank und aufschluchzte.
Mandraeja .
Nur wenige Schritte entfernt, auf halber Strecke einen kleinen Pfad hinauf stand sie und lächelte ihn an. Ein Bild so deutlich, so scharf in seinen Konturen, daß Agaldir die Hände nach ihr ausstreckte, sich aufrappelte und lief. Immer hinterher während sie zurückwich.
Sie ist tot , warnte die eine Stimme in seiner Brust, während die andere von der Erinnerung und Gefühlen erzählte, die ungeahnt stark in ihm aufloderten.
Kleine schwebende Schritte die Klippen hoch und auf das Haus zu. Er konnte nicht anders. Er musste ihr folgen. Wollte diesen letzten Schleier ihres Sein nicht gleich wieder aufgeben. Nicht freiwillig.
Oben angekommen, führte ihn die Elfe auf das Haus zu. Ein altertümlich anmutender Bau mit wundervoll geschnitzten Zierleisten bis knapp unterhalb der Fenstersimse.
Agaldir zögerte nur kurz, als Mandraeja auch hier kein Halten kannte. Wie selbstverständlich glitt sie in ihrer geisterhaften Präsenz durch die verschlossene Tür und öffnete sie für ihn.
Willkommen daheim , wisperte der Wind.
Wir haben auf dich gewartet , säuselten die Baume.
Er wartet schon auf dich, raunte der Fels.
Doch der Halbling wollte nichts davon hören, folgte weiterhin gebannt dem sanften Licht, das die Elfe selbst im Tod noch umhüllte, wieder hinaus, wanderte den schmalen Pfad hinab und betrat schließlich die Höhle, die sich unterhalb in den Fels wölbte. Eine Grotte, die fast zur Gänze mit einem Teich ausgefüllt war, den Agaldir zu seiner Überraschung kannte.
Ja! Er kannte diesen Ort. Genau dort hin hatte er gesehen, als seine Finger den Stern auf Mandraejas Stirn berührt hatten.
Neugierig trat er an den Wasserrand, ging in die Hocke und senkte seinen Blick in die leuchtende Tiefe.
Da war er.
Der Wurm lag zusammengekauert am Grund und ließ sich träge im leichten Zustrom hin und her schaukeln.
Wo bin ich hier?, fragte sich Agaldir und hob den Kopf. Doch Mandraeja war fort.
Du bist angekommen , antwortete statt dessen eine kindliche und doch seltsam bekannte Stimme. Jetzt nimm deine Bestimmung an oder Mythenland wird bald ein Ort des Chaos und der Dunkelheit sein.
Der Halbling blickte sich suchend um. Doch er war allein in der Grotte - zusammen mit dem Lichtwurm.
Ich hatte meine Bestimmung gefunden und wieder verloren, antwortete Agaldir wahrheitsgemäß.
Rache. Bloße Verletztheit. Angst. Wie oft willst du noch im Gestrüpp
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