Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
die makellos weiße Feder, die behütet vor all zu neugierigen Händen in einen silbernen Käfig gesperrt auf dem Tisch neben den Pergamenten stand und ließ es zu, daß seine Gedanken wie so oft in den vergangenen Wochen zu jenem Morgen zurückwanderten, an dem eine einzige innige Umarmung, alles gewesen war, das er von der Liebe hatte kosten dürfte.
Das erste Opfer war ein einfacher Mann. Ein Tagelöhner, der sich in den Morgenstunden aufgemacht hatte, um vor der Backstube eine erste warme Semmel zu erbetteln.
»'S war ein Schatten. Ein riesengroßer Schatten, der so düster war, das selbst die Laternenlichter nix mehr ham hell machen können«, erzählte die Magd jedem, dem sie die Stunden und Tage danach über den Weg lief. »Angefallen hat ihn wer, aufgerissen und die Seele einfach rausgesaugt.«
Die herbei geeilte Wache nahm die Aussage auf, wie auch alle anderen Hinweise, die nach und nach zusammen kamen. Der Magierrat schickte nach Mandraejas eindringlicher Warnung ein Untersuchungsgremium aus, um sich des Falles anzunehmen, angeführt von der Botschafterin selbst.
Doch jeder Schritt, den sie taten, schien einer zu spät zu sein. Wohin sie auch den Hinweisen folgten, als sie ankamen, war der Tod bereits dort gewesen.
Wächterdämonen, so tuschelten die Leute, wären unterwegs, um frische Seelen zu fangen. Seelen, die eine ganze Armee zu neuem Leben verhelfen sollte, um Mythenland zu erobern.
Und mochte die Ausschmückung der Geschichten auch noch so übertrieben sein, eins war bald gewiss. Nicht jeder, der in diesen Tagen starb, blieb auch tot. Leichen erhoben sich aus den Gräbern, um das Werk der Wächter als untote Diener noch schneller und gezielter voranzutreiben.
Aber auch die Verteidiger rüsteten auf.
»Um Dunkelmagie orten zu können, muss ein Netz aus sieben Knoten aufgespannt werden«, erläuterte Mandraeja gerade die nächsten Schritte in Anwesenheit der höchst graduierten Magier, da passierte, was keiner je für möglich gehalten hatte. Das Gildenhaus Dandoria wurde angegriffen.
Untoten krochen und krabbelten wie ein Schwarm Insekten an Böden, Wänden und Decken die Eingänge entlang. Sie stapelten sich übereinander, hangelten sich zu den Fenstern der oberen Stockwerte und kletterten die Regenrinnen und Rosenstockgitter hinauf, während die Magister und Magiernovizen noch von Fassungslosigkeit erstarrt standen und die Parkwächterin bereits schrie und mit Leibeskräften an der kleinen Gedenkglocke an Tor Alarm schlug.
Mit wehendem Haar stützte Agaldir zum Fenster, blickt hinab in den Innenhof und wich im nächsten Moment zurück, als ein zum Skelett verwester Diener der Wächter mit seinen knöchernen Fingern nach seinem Arm schnappte und sich mit der anderen Hand den Sims hinaufzog.
»Eisschlag!«, rief der Halbling, presste die Finger der Linken aneinander, richtete die Hand senkrecht und stieß sie trotz der Entfernung von einer Mannslänge mit all seiner Kraft dem Angreifer entgegen.
Eine von Kristalldunst umwehte Eiskugel verließ die Handfläche, schloss blitzschnell vor und bohrte sich in die leere Augenhöhle des Untoten. Der Schwung reichte aus, um das Skelett zurückzuwerfen. Die Knochen verloren den Halt und rasselten schließlich mit lautem Krach im Hof zu Boden.
Doch noch bevor Agaldir seinen kleinen Sieg genießen konnte, rückte der nächste nach. Ein Kampf eins gegen eins war zwecklos.
Zu viele der Wesen überrannten das Gebäude und zu wenige der Bewohner waren darauf vorbereitet gewesen. Allein die Haupttore, die Gemächer der Ratsvorsitzenden und der Bibliothekskomplex waren magisch gesichert. Alle übrigen Räume, sowie Gänge und Studiensaale waren offen und eine geradezu unverschämte Einladung, der Zerstörungswut freien Lauf zu lassen.
Mandraeja , klang es in Agaldirs Kopf, als er die Treppen hinab eilte und in den langen Gang zum Ratssaal abbog.
Doch auch bis hier waren die Feinde bereits vorgedrungen und lieferten sich vereinzelte Kämpfe mit Schülern und Magistern.
Zwischen Feuerregen und Eislanzengeschossen hindurch bahnte sich Agaldir seinen Weg, wehrte die ein oder andere Hand mit einem hastig geschwungenen Eisklingenschlag ab, wich auf die Lehnen der Wartebänke aus, schwang sich an einer der Deckenleuchten über ein Knäuel an Kämpfern und setzt kurz vor der Flügeltür ab.
Mandraeja, wiederholte er im Geiste, bevor er beide Klinken drückte und die Türflügel aufstieß.
Auch bis hier hatten es die Dämonen geschafft. Ein
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