Im Schatten der Erdmagie
sogar das Kunststück fertig, daß Peter ihr nichts anmerkte? Mochte er doch denken, das Gespräch mit ihrer Mutter habe sie so sehr mitgenommen...
Er sprang aus dem Wagen und eilte zur Beifahrerseite, um die Tür aufzuhalten.
„ Na, was sagte sie?” erkundigte er sich dabei.
„ Wer?” murmelte Ellen verstört.
„ Na, deine Mutter. Wer sonst?”
„ Ach, sie redet sich heraus, wie befürchtet!” Es klang ärgerlich, und dabei brauchte sie sich noch nicht einmal besondere Mühe zu geben.
Doch der Tonfall ihrer Stimme hatte auch noch einen anderen Grund: Deshalb ging Peter lieber nicht mehr näher auf das Thema ein, sondern er wartete nur noch, bis Ellen eingestiegen war, um danach sich selber wieder hinter das Steuer zu setzen und davon zu fahren, als müßten sie von diesem Ort so schnell wie möglich fliehen.
*
Erst nach minutenlangem Schweigen wagte es Peter, die Stille zu unterbrechen, doch er sprach seine Freundin natürlich nicht auf ihre Mutter an, sondern lenkte im Gegenteil von diesem Thema bewußt ab:
„ Was gibt es heute abend in der Disko? Irgendeinen besonderen Event oder was? Über das Übliche hinaus, meine ich? Ich habe ganz vergessen, vorher im Infoheftchen nachzublättern.”
„ Ist doch egal!” antwortete Ellen barscher als beabsichtigt. Sie hatte die Zeit genutzt, ihre Gedanken ein wenig zu ordnen. So recht war ihr das zwar nicht gelungen, aber sie konnte sich jetzt wenigstens darüber im klaren sein, daß dieses brennende Gefühl, beobachtet zu werden, fast schlagartig verschwunden war – in dem Moment, als Peter ausstieg, um ihr die Beifahrertür zu öffnen!
Eine Erkenntnis, die sie zunächst noch tiefer ins Grübeln brachte. Bis ihr klar wurde, daß alle Grübeleien nichts brachten. Die einfachste Erklärung war nach wie vor, daß so eine Art Geisteskrankheit in der Familie lag. Sie hatte es von ihrer Mutter geerbt und diese wahrscheinlich von ihrer Mutter. Dabei bildeten die sich ein, sie wären so etwas wie Auserwählte. Ebenfalls etwas, was ganz klar für diese These sprach.
Praktisch ließ sich damit alles ausreichend erklären, sei es noch so unangenehm in seinen Konsequenzen für sie. Denn wenn diese Erbkrankheit sie wirklich ebenfalls heimsuchte, mußte sie etwas dagegen unternehmen. Und zwar nicht, indem sie die Vorlesungen von Professor Percy Brook weiterhin besuchte, der anscheinend an einer ähnlichen psychischen Krankheit litt, die einen von der Wirklichkeit entfernte, sondern sie sollte schleunigst einen guten Psychiater aufsuchen.
Sie bekam eine dicke Gänsehaut auf dem Rücken, wenn sie das nur in Erwägung zog. Doch es würde ihr wohl keine andere Wahl bleiben.
Ellen bedachte Peter mit einem schiefen Blick. Gottlob fiel diesem das nicht auf, weil er sich auf die Fahrt konzentrierte. Sie waren bald da. So früh gab es auch noch genügend Parkplätze. Die meisten Diskobesucher kamen erst sehr spät am Abend. Obwohl es mitten in der Woche war, nämlich Mittwoch. Aber heute gab es arg verbilligte Getränke. Deshalb war das stets ihr Tag.
Nein, ihr Entschluß stand fest: Sie würde Peter vorläufig lieber nichts erzählen. Wie hätte sie das auch anstellen sollen? Etwa: „Du, Peter, ich muß dir was gestehen. Ich bin nämlich verrückt und es wird immer schlimmer. Hoffentlich werde ich nicht gefährlich für dich.”?
Aber wirklich nicht!
Morgen war wieder Vorlesung bei Professor Brook. Sie würde ein letztes Mal diese Vorlesung besuchen. Auch das nahm sie sich jetzt fest vor, und dann gab sie sich Mühe, wenigstens nach außen hin wieder gelassener zu wirken, ehe ihr Peter doch noch Verdacht schöpfte.
Und übermorgen spätestens hole ich mir einen Termin beim Psychiater. In dem Stadium, in dem ich mich befinde, bin ich gewiß noch zu retten!
Dieser Entschluß beruhigte sie keineswegs. Ganz im Gegenteil, denn aus ihrem Innern tauchte eine andere Frage auf, die absolut beunruhigend war: „Aber falls Mutter gar nicht verrückt ist? Und ich genauso wenig? Also, falls alles der reinen Wahrheit entspricht und es Gaia nicht nur in den japanischen Mythologien gibt – genauso wie den sogenannten Schrecken aus der Tiefe?”
Es schauderte ihr, und diesmal blieb es Peter nicht verborgen.
„ Das Gespräch mit deiner Mutter hat dich ja arg mitgenommen!” bemerkte er besorgt.
„ Ach was, sie ist normalerweise gar nicht so. Nur was dich betrifft, ist sie absolut stur. Ich verstehe das nicht. Mit normaler mütterlicher Eifersucht ist das ganz und gar
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