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Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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nicht mehr gesehen«, fuhr er fort.
    »Wir sind das letzte Mal nicht gerade in Freundschaft auseinander gegangen. Sie ist das eigenwilligste Frauenzimmer mit der schärfsten Zunge, das mir je begegnet ist, und so dogmatisch, daß sie einfach auf niemanden hört. Und dabei ist sie von einer geradezu absurden Selbstgefälligkeit, die sie unerträglich macht.«
    »Eigenschaften, die Sie wohl nicht mögen?« fragte sie unschuldig.
    »Großer Gott, nein!« platzte er heraus. »Wer mag so was schon?«
    »Es mißfällt Ihnen also, wenn man eine feste Meinung hat und diese auch noch lebhaft verteidigt?«
    »Und ob!« sagte er vehement und legte für einen Augenblick den Löffel beiseite. »Es ist ungehörig, aufreizend und erstickt jede offene und intelligente Unterhaltung im Keim. Nicht daß allzu vielen Männern nach einer intelligenten Unterhaltung mit einer Frau ihres Alters wäre«, fügte er hinzu.
    »Zumal wenn man ihre Ansichten mißversteht«, sagte sie mit funkelndem Blick.
    »Das auch, sicher«, räumte er ein und war sich nun ganz sicher, daß sie sich über ihn lustig machte.
    »Wissen Sie, daß sie ganz ähnliches über Sie gesagt hat, als sie vor etwa drei Wochen hier war. Sie pflegt derzeit eine ältere Dame mit einem gebrochenen Bein, aber die Dame war damals schon bereits wieder wohlauf, und ich glaube nicht, daß Hester schon eine neue Stellung gefunden hat.«
    »Vielleicht sollte sie ihre Zunge besser hüten und einem etwas entgegenkommen – mit etwas mehr Bescheidenheit?« schlug er gereizt vor.
    »Ich bin sicher, Sie haben recht«, stimmte Callandra ihm zu.
    »Bei Ihrer Erfahrung, was den Wert gerade dieser Qualitäten anbelangt, könnten Sie ihr sicher einige exzellente Ratschläge geben.« Der Humor schien aus ihrer Miene verschwunden.
    Er sah sie eingehender an. Sie hatte gerade noch den Hauch eines Lächelns um den Mund und wich seinem Blick aus.
    »Immerhin«, fuhr sie fort und hatte dabei einige Mühe, ihren nüchternen Ausdruck beizubehalten, »gibt es doch nichts Angenehmeres als eine intelligente Unterhaltung mit einem aufgeschlossenen Geist, finden Sie nicht auch?«
    »Sie verdrehen mir das Wort im Mund!« sagte er mit verhaltenem Zorn.
    »Ganz und gar nicht«, sagte sie und sah ihn dabei amüsiert, aber mit unverhohlener Zuneigung an. »Sie wollen sagen, wenn Hester eine Meinung hat und davon nicht abrücken will, dann ist das dogmatisch und unschicklich und daß Ihnen das unsagbar auf die Nerven geht. Haben Sie aber eine, dann spricht das von beherztem Engagement und ist der einzig gangbare Weg für einen integren Mann. Genau das haben Sie gesagt, auf die eine oder andere Weise, und ich bin ganz sicher, daß es Ihnen ernst damit ist.«
    » Sie meinen also, ich habe unrecht!« Er beugte sich über den Tisch.
    »O ja, wie so oft! Aber ich würde es nie wagen, Ihnen das zu sagen. Hätten Sie gern noch etwas Sahne auf den Kuchen? Ich nehme an, Sie haben auch von Oliver Rathbone schon seit einiger Zeit nichts mehr gehört?«
    Er nahm sich von der Schlagsahne.
    »Ich habe mich erst vor zehn Tagen in seinem Auftrag mit einem kleineren Fall befaßt.« Rathbone war ein höchst erfolgreicher Anwalt, mit dem Monk seit seinem Unfall an all seinen herausragenden Fällen gearbeitet hatte. Er bewunderte die beruflichen Fähigkeiten des Mannes, fand ihn persönlich jedoch anziehend und irritierend zugleich. Rathbone hatte eine weltmännische Art, ein Selbstvertrauen, das Monk zutiefst irritierte. Sie waren sich in mancher Hinsicht zu ähnlich und in manch anderer zu weit voneinander entfernt. »Er schien mir bei bester Gesundheit.« Er beendete seinen Bericht mit einem verkniffenen Lächeln und einem Blick in Callandras Augen.
    »Und wie geht es Ihnen? Wir haben nun wirklich über alles mögliche gesprochen…«
    Sie blickte kurz auf ihren Teller, bevor sie wieder zu ihm aufsah.
    »Mir geht es ausgezeichnet, danke. Sieht man mir das nicht an?«
    »O doch, Sie sehen geradezu außergewöhnlich gut aus«, antwortete er wahrheitsgemäß, obwohl es ihm erst in diesem Augenblick aufgefallen war. »Haben Sie eine Beschäftigung gefunden?«
    »Wie scharfsichtig von Ihnen.«
    »Ich bin schließlich Detektiv.«
    Sie blickte ihn ruhig an, und für einen Augenblick herrschte nichts als ehrliche, gleichberechtigte Freundschaft zwischen ihnen, ohne die Barriere ihrer Worte.
    »Was machen Sie denn?« fragte er leise.
    »Ich habe einen Platz im Verwaltungsrat des Königlichen Armenspitals.«
    »Das ist ja wunderbar.« Er

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