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Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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wußte, daß ihr verstorbener Mann Militärarzt gewesen war. Es war also eine Position, die auf wunderbare Weise nicht nur ihrer Erfahrung und ihren natürlichen Fähigkeiten, sondern auch ihren Neigungen entsprach. Er freute sich aufrichtig für sie. »Wie lange denn schon?«
    »Erst seit einem Monat, aber ich habe bereits jetzt das Gefühl, geholfen zu haben.« Freude belebte ihr Gesicht, ihre Augen strahlten. »Es gibt so viel zu tun!« Sie beugte sich über den Tisch. »Ich weiß ein wenig über die neuen Methoden, über Miss Nightingales Glauben an frische Luft und Sauberkeit. Es wird einige Zeit dauern, aber wenn wir uns ordentlich ins Zeug legen, können wir kleine Wunder wirken.« Unbewußt klopfte sie mit ihrem Zeigefinger auf das Tischtuch. »Es gibt neben den alten Holzköpfen auch eine ganze Reihe von fortschrittlichen Ärzten. Was es allein schon ausmacht, ein Anästhetikum zu haben! Sie machen sich ja keinen Begriff davon, was sich in den letzten elf, zwölf Jahren so alles getan hat!«
    Ihren Blick auf ihn gerichtet, schob sie die Zuckerdose beiseite. »Wissen Sie, daß man eine Person ganz und gar betäuben kann, so daß sie nicht das geringste spürt? Um sie dann, ohne daß sie Schaden genommen hätte, wieder aufzuwecken!« Wieder klopfte sie mit ihrem Finger auf das Tischtuch. »Das bedeutet, daß man alle möglichen Operationen durchführen kann! Man braucht den Betreffenden nicht mehr festzubinden und darauf zu hoffen, daß alles nur eine Frage von Minuten ist. Geschwindigkeit steht damit nicht mehr an erster Stelle, man kann sich mehr Zeit lassen – und sorgfältiger vorgehen. Ich hätte nie gedacht, jemals so etwas zu sehen – es ist absolut wunderbar!«
    Ihr Gesicht verdunkelte sich, und sie setzte sich wieder zurück. »Selbstverständlich haben wir noch das Problem, die Hälfte der Patienten hinterher durch eine Infektion zu verlieren. Hier gibt es noch viel zu tun.« Sie beugte sich wieder vor. »Aber ich bin sicher, es ist zu schaffen – wir haben dort einige brillante und engagierte Männer. Ich habe wirklich das Gefühl, etwas Entscheidendes bewegen zu können.« Mit einemmal war ihr Ernst verschwunden, und sie lächelte ihn an. »Essen Sie Ihren Kuchen auf und nehmen Sie noch ein Stück!«
    Er lachte, glücklich über ihre Begeisterung, obwohl er wußte, daß so viel Enthusiasmus nur in einer Niederlage enden konnte.
    »Danke, gern«, sagte er. »Er ist wirklich außergewöhnlich gut.«

2
    Tags darauf, so gegen zehn, begab sich Monk wieder in die Hastings Street vierzehn. Diesmal empfing ihn Julia Penrose im Zustand sichtlicher Sorge.
    »Guten Morgen, Mr. Monk«, sagte sie, als er hereinkam, und schloß die Tür hinter ihm. Sie trug ein helles Blaugrau, das ihrem zarten Teint sehr entgegenkam, obwohl es sich nur um ein gewöhnliches, hochgeschlossenes Tageskleid fast ohne jeden Zierat handelte. »Sie werden doch umsichtig sein, ja?« fragte sie besorgt. »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie Sie Erkundigungen einziehen wollen, ohne den Leuten zu sagen, wonach Sie suchen, oder Verdacht zu erregen. Es wäre eine Katastrophe, würde jemand die Wahrheit erfahren. Ja, allein schon, wenn er sie ahnen würde!« Mit verkniffenen Brauen und geröteten Wangen blickte sie ihn an. »Selbst Audley, Mr. Penrose, war gestern neugierig, warum Sie uns Ihre Aufwartung gemacht haben. Er mag Cousin Albert nicht besonders und hätte nicht gedacht, daß es mir da anders geht. Und um die Wahrheit zu sagen, ich mag ihn auch nicht, aber er war nun einmal die beste Ausrede, die mir einfallen wollte.«
    »Sie brauchen sich nicht die geringsten Sorgen zu machen, Mrs. Penrose«, sagte er ernst. »Ich werde sehr diskret vorgehen.«
    »Aber wie?« drängte sie ihn mit etwas schärferer Stimme jetzt. »Was können Sie sagen, um Ihre Fragen zu erklären? Dienstboten reden nun mal, wissen Sie!« Sie schüttelte heftig den Kopf. »Selbst die besten. Und was sollen die Nachbarn denken? Was in aller Welt könnte eine respektable Person wohl für Gründe haben, einen privaten Ermittler zu beauftragen?«
    »Wollen Sie die Ermittlungen eingestellt sehen, Madam?« fragte er sie völlig ruhig. Er würde das sehr gut verstehen, er wußte schließlich immer noch nicht, was sie mit der Information anzufangen gedachte, für den Fall, daß er sie ihr tatsächlich beschaffen konnte; wo sie doch keine Strafverfolgung anzustreben gedachte.
    »Nein!« sagte sie wild und knirschte mit den Zähnen. »Nein, das möchte ich nicht!

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