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Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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sie rücksichtslos, wenn es darum ging, die gesteckten Ziele zu erreichen – ungeachtet der Kosten oder Konsequenzen für andere?«
    »Wenn Sie damit meinen, ob sie grausam oder unehrlich war: nein, niemals. Weder erwartete noch wünschte sie, ihre Ziele auf Kosten anderer zu erreichen.«
    »Haben Sie je gehört, daß sie jemanden zu irgend etwas gezwungen oder genötigt hätte, was dieser nicht wollte?«
    »Nein, das habe ich nicht!«
    »Oder daß sie vertrauliche Informationen benutzt hätte, um Druck auf jemanden auszuüben?«
    Ein zorniger Schatten legte sich über ihr Gesicht. »Das wäre Erpressung, Sir, und in jeder Hinsicht verabscheuenswert. Ich verwehre mich mit Nachdruck dagegen, daß Sie hier eine solche Sünde in einem Atemzug mit Prudence’ Namen nennen! Wenn Sie sie gekannt hätten, dann wäre Ihnen klar, wie abscheulich und lächerlich eine solche Vermutung ist.« Sie starrte zu Sir Herbert hinüber, bevor sie ihren Blick auf die Geschworenen richtete.
    »Nein. Sie verachtete moralische Feigheit, Betrug und dergleichen«, fuhr sie fort. »In ihren Augen wäre alles auf solchem Weg Erreichte so beschmutzt gewesen, daß es allen Wert verloren hätte.« Sie funkelte Rathbone an, dann die Geschworenen. »Und falls Sie denken, sie hätte Sir Herbert erpreßt, um ihn zu einer Heirat zu zwingen, dann ist das das Albernste überhaupt! Welche Frau, die auch nur über eine Spur von Anstand verfügt, würde sich wünschen, unter solchen Umständen zu einem Gatten zu kommen? Ein Leben mit ihm wäre unerträglich! Es wäre die Hölle auf Erden!«
    »In der Tat, Mrs. Barber«, pflichtete ihr Rathbone mit einem stillen und zufriedenen Lächeln bei. »Das kann ich mir vorstellen. Und ich bin sicher, Prudence war nicht nur zu ehrenhaft für solche Methoden, sondern auch zu intelligent. Ich danke Ihnen für Ihre Aufrichtigkeit. Ich habe keine weiteren Fragen an Sie. Vielleicht hat mein verehrter Herr Kollege noch welche?« Er sah Lovat-Smith lächelnd an.
    Lovat-Smith antwortete mit einem strahlenden Lächeln. »Oh, das habe ich gewiß.« Er stand auf und trat vor den Zeugenstand.
    »Mrs. Barber, hat Ihnen Ihre Schwester während ihrer Zeit im Krimkrieg von ihren Abenteuern und Erfahrungen geschrieben?«
    »Ja, selbstverständlich, obwohl ich nicht alle Briefe bekommen habe. Sie nahm gelegentlich auf Dinge Bezug, die sie bereits geschrieben haben mußte, da ich keine Ahnung hatte, wovon sie sprach.« Sie sah ihn verwirrt an, als verstehe sie den Sinn seiner Frage nicht. Selbst Hardie schien im Zweifel.
    »Aber Sie haben eine beträchtliche Anzahl von Briefen erhalten?« drängte Lovat-Smith.
    »Ja.«
    »Genug, um sich ein Bild zu machen von ihren Erfahrungen, ihrem Anteil an der Pflege der Verwundeten und welche Wirkung das auf sie hatte?«
    »Ich denke doch.« Noch immer wußte Faith Barber nicht, worauf er hinauswollte.
    »Dann haben Sie also eine recht klare Vorstellung von ihrem Charakter?«
    »Ich denke, das habe ich bereits gesagt – zu Mr. Rathbone«, antwortete sie mit gerunzelter Stirn.
    »Das haben Sie in der Tat.« Lovat-Smith tat einen, zwei Schritte, blieb dann stehen und wandte sich wieder an sie. »Sie muß eine wirklich bemerkenswerte Frau gewesen sein; es war sicher nicht leicht gewesen, in Kriegszeiten auf die Krim zu gelangen, geschweige denn einen solchen Beruf zu meistern. Hatte sie denn dabei keine Schwierigkeiten zu überwinden?«
    »Selbstverständlich!« sagte sie, und es sah fast so aus, als wollte sie lachen.
    »Das amüsiert Sie, Mrs. Barber«, bemerkte er. »Ist meine Frage so absurd?«
    »Ehrlich gesagt, ja, Sir, das ist sie. Ich möchte Sie nicht beleidigen, aber allein um sie zu stellen, können Sie nicht die leiseste Vorstellung davon haben, welche Hindernisse eine junge, alleinstehende Frau aus gutem Haus zu überwinden hat, um alleine auf einem Truppentransporter auf die Krim zu reisen und dort Soldaten zu pflegen. Alle waren dagegen, außer Papa, und selbst er hatte seine Zweifel. Wäre es jemand anderes gewesen als Prudence, ich denke, er hätte es ihr verboten.«
    Rathbone stutzte. Irgendwo in seinem Hinterkopf schrillte eine Alarmglocke. Er stand auf. »Euer Ehren, es ist bereits erwiesen, daß Prudence Barrymore eine bemerkenswerte Frau war. Das hier scheint mir irrelevant und somit eine Zeitverschwendung. Wenn mein sehr verehrter Kollege Mrs. Barbers Aussage zu diesem Punkt gewünscht hätte, so hatte er dazu reichlich Gelegenheit, als sie noch seine Zeugin war.«
    Hardie

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