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Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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ganze Nacht über hier«, antwortete Kristian. Jeavis’ Augen wurden groß. »Tatsächlich! Und warum das, Sir?« Er legte eine Menge Bedeutung in seine Worte.
    »Ich hatte einen extrem kranken Patienten«, antwortete Kristian und beobachtete dabei Jeavis’ Gesicht. »Ich bin bei ihm geblieben. Ich dachte, ich könnte ihn retten, habe mich aber geirrt. Er ist kurz nach vier Uhr morgens gestorben. Es lohnte kaum noch, nach Hause zu gehen. Ich habe mich in eines der Krankenbetten gelegt und bis etwa halb sieben geschlafen.«
    Jeavis zog die Stirn in Falten, warf einen Blick auf Evan, ob der auch alles notierte, und sah dann wieder Kristian an. »Ich verstehe«, sagte er gewichtig. »Sie waren also im Haus, als Schwester Barrymore zu Tode kam.«
    Zum erstenmal durchzuckte Callandra so etwas wie Angst. Sie sah Kristian an, fand aber nichts in seiner Miene außer einer mäßigen Neugier – als verstehe er nicht so recht, worauf Jeavis hinauswollte. »Ja, sieht ganz so aus.«
    »Und haben Sie Schwester Barrymore gesehen?« Kristian schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, kann es aber nicht mit Sicherheit sagen. Ich habe jedenfalls nicht mit ihr gesprochen.«
    »Und dennoch scheinen Sie sich gedanklich sehr stark mit ihr zu beschäftigen«, sagte Jeavis rasch. »Sie wissen genau, wer sie ist und Sie sagen nur Gutes über sie!«
    Kristian senkte den Blick, seine Augen voller Trauer. »Das arme Ding ist tot, Inspektor. Natürlich beschäftigt mich das gedanklich! Und sie war eine gute Schwester. Es gibt zu wenige, die sich der Pflege anderer mit solcher Hingabe widmen, als daß man sie so einfach vergessen könnte.«
    »Hat denn nicht jeder in der Krankenpflege diese Hingabe?« fragte Jeavis, einigermaßen überrascht.
    Kristian starrte ihn an und stieß dann einen tiefen Seufzer aus.
    »Wenn das alles ist, Inspektor, dann würde ich gern wieder meinen Pflichten nachgehen. Ich bin nun seit fast zwei Stunden hier in der Waschküche. Ich muß mich um meine Patienten kümmern.«
    »Aber sicher«, sage Jeavis und schürzte die Lippen. »Aber ich muß Sie bitten, London nicht zu verlassen, Sir!«
    Kristian war überrascht, erklärte sich aber widerspruchslos einverstanden, und einige Augenblicke später verließen er und Callandra die Waschküche. In Callandras Kopf überschlugen sich die Gedanken, Dinge, die sie ihm sagen wollte, hätten sie sich nicht so aufdringlich oder übermäßig besorgt angehört, vor allem wollte sie ihn nichts von den Befürchtungen ahnen lassen, die sich in ihr zu regen begannen. Vielleicht war es ja töricht. Jeavis hatte schließlich keinen Grund, Kristian zu verdächtigen, aber sie hatte bereits Justizirrtümer erlebt. Unschuldige waren gehängt worden. Es war so einfach, jemanden zu verdächtigen, nur weil er anders war, sei es nun in der Art, Auftreten, Rasse oder Religion. Wenn doch nur Monk die Ermittlungen führen würde!
    »Sie sehen müde aus, Lady Callandra«, sagte er ruhig und unterbrach damit ihre Gedanken.
    »Wie bitte?« Sie fuhr erschreckt auf, dann wurde ihr klar, was er gesagt hatte. »Oh, nein, weniger müde als traurig. Ich fürchte mich vor dem, was noch alles kommt.«
    »Sie fürchten sich?«
    »Ich habe solche Ermittlungen schon verfolgt. Menschen bekommen es mit der Angst zu tun. Man erfährt immer mehr über sie, als man je wissen wollte.« Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Aber das ist töricht. Höchstwahrscheinlich ist alles rasch überstanden.« Sie kamen oben an und blieben stehen. Ein paar Meter vor ihnen standen zwei Medizinstudenten und stritten sich heftig. »Vergessen Sie, was ich gesagt habe«, fuhr sie hastig fort. »Wenn Sie fast die ganze Nacht über wach gewesen sind, bin ich sicher, Sie möchten sich eine Weile ausruhen. Es muß ja schon bald Mittagszeit sein.«
    »Natürlich. Ich halte Sie auf. Tut mir leid.« Mit einem raschen Lächeln und einem kurzen Blick in ihre Augen entschuldigte er sich und eilte den Korridor hinauf in Richtung der nächsten Station.
    Callandra fand Monk nicht vor dem frühen Abend. Ohne weitere Förmlichkeiten kam sie darauf zu sprechen, warum sie in seine Zimmer kam.
    »Im Hospital ist jemand ermordet worden«, sagte sie ohne Umschweife. »Eine der Schwestern, eine außergewöhnliche junge Frau, ehrlich und fleißig. Sie wurde erwürgt, oder jedenfalls sieht es so aus, und dann in den Wäscheschacht gesteckt.« Sie sah ihn erwartungsvoll an.
    Seine harten grauen Augen durchforschten einige Augenblicke lang ihr Gesicht, bevor er

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