Im Schatten der Gerechtigkeit
darum geht, Informationen zusammenzufügen. Sie versteht die menschliche Natur ausgezeichnet und scheut sich auch nicht, einer Sache auf den Grund zu gehen.«
»In diesem Fall werden Sie mich ja wohl kaum brauchen!«
Es klang bissig, aber das humorvolle Funkeln in seinen Augen machte das sofort wieder wett.
Sie würde sich alles verderben, wenn sie ihn zu heftig bedrängte.
»Vielleicht habe ich etwas übertrieben«, räumte sie ein. »Aber sie wäre gewiß eine große Hilfe. Und sie könnte Dinge beobachten, die zu sehen Sie nicht in der Lage sind. Sie könnte Ihnen dann Bericht erstatten, Sie ziehen Ihre Schlüsse und sagen ihr, was sie als nächstes ausforschen soll.«
»Und wenn Sie in Ihrem Krankenhaus tatsächlich einen Mörder haben, haben Sie sich schon überlegt, welcher Gefahr Sie sie dann aussetzen? Eine Schwester wurde bereits ermordet«, erklärte er.
Sie sah es an seiner Miene, daß er sich seines Sieges sicher war. »Nein, daran habe ich nicht gedacht«, gab sie zu. »Sie würde eben äußerst vorsichtig sein müssen. Und sich umsehen, ohne Fragen zu stellen. Sie könnte Ihnen auch so immer noch eine unschätzbare Hilfe sein!«
»Sie reden ja ganz so, als würde ich den Fall übernehmen!«
»Täusche ich mich denn?« Diesmal war es ihr Sieg, und sie wußte es.
Wieder erhellte ein Lächeln seine Züge; er zeigte sich von einer ungewohnt sanften Seite. »Nein, nein, Sie täuschen sich nicht. Ich werde tun, was ich kann.«
»Ich danke Ihnen.« Sie spürte, wie ihr eine Last von den Schultern fiel, was sie überraschte. »Habe ich bereits erwähnt, daß John Evan der Sergeant ist, der Jeavis assistiert?«
»Nein, das haben Sie nicht, aber ich wußte bereits, daß er mit Jeavis arbeitet.«
»Das habe ich mir fast gedacht. Ich bin froh, daß Sie Ihre Freundschaft mit ihm pflegen. Er ist ein ganz außerordentlicher junger Mann.«
Monk lächelte.
Callandra stand auf, worauf sich automatisch auch Monk erhob. »Dann sollten Sie mal besser gehen und Hester aufsuchen«, wies sie ihn an. »Wir haben keine Zeit zu verlieren. Ich würde es ja selbst tun, aber Sie können ihr besser erklären, was sie für Sie tun soll, als ich. Sie können ihr ausrichten, daß ich meinen Einfluß geltend machen werde, ihr eine Stellung zu verschaffen. Man wird schließlich jemanden suchen, der Prudence Barrymores Platz einnimmt.«
»Ich werde sie fragen«, willigte er ein und zog ein Gesicht dabei. »Ich verspreche es«, fügte er hinzu.
»Ich danke Ihnen. Ich werde alles für morgen arrangieren.« Damit ging sie zur Tür hinaus, die er ihr offenhielt, und trat schließlich durch die Haustüre in die warme Abendluft. Jetzt, wo es nichts weiter zu tun gab, war sie plötzlich müde und über die Maßen traurig. Ihre Kutsche erwartete sie, und sie fuhr in düsterer Stimmung nach Hause.
Hester empfing Monk mit einer Überraschung, die sie erst gar nicht zu verbergen suchte. Sie führte ihn in das winzige Wohnzimmer und forderte ihn auf, sich zu setzen. Sie sah nicht mehr ganz so müde aus und strahlte sogar eine gewisse Kraft aus; sogar ihre Haut hatte wieder Farbe bekommen. Nicht zum erstenmal fiel ihm auf, wie lebendig sie war – weniger im physischen Sinn, als was Verstand und Willenskraft anbelangte.
»Das kann ja wohl unmöglich ein Freundschaftsbesuch sein«, sagte sie mit einem amüsierten kleinen Lächeln. »Es ist sicher etwas passiert.« Letzteres eine Feststellung, keine Frage.
Er hielt sich nicht mit Ausflüchten auf. »Callandra kam am frühen Abend bei mir vorbei«, begann er. »In dem Krankenhaus, in dem sie im Verwaltungsrat sitzt, ist heute morgen eine Schwester ermordet worden. Nicht irgendeine, sondern eine Frau, die im Krimkrieg gedient hat.« Er verstummte, als er den Schock auf ihrem Gesicht sah; ihm wurde mit einemmal klar, daß es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um jemanden handelte, den sie gekannt hatte, vielleicht sogar gut, jemanden, den sie womöglich gern gehabt hatte. Weder er noch Callandra hatten an diese Möglichkeit gedacht.
»Tut mir leid.« Er meinte es ernst. »Es handelt sich um Prudence Barrymore. Haben Sie sie gekannt?«
«Ja.« Sie atmete tief und zitternd ein, ihr Gesicht war ganz blaß. »Nicht gut, aber ich konnte sie gut leiden. Sie hatte viel Mut und ein großes Herz. Wie ist das passiert?«
»Das weiß ich nicht. Genau das sollen wir für Callandra herausfinden.«
»Wir?« Sie blickte ihn verblüfft an. »Was ist mit der Polizei? Man hat doch sicher die Polizei
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