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Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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so vieles andere auch. Und vielleicht war es gut so. Womöglich gehörte es zu irgendeiner persönlichen Erinnerung wie die an Hermione, die ihm so zu schaffen machte. Es war nicht ihr Verlust, das war kein Problem. Es war die Demütigung, sein Irrtum – die Dummheit, eine Frau geliebt zu haben, die außerstande war, diese Liebe zu erwidern. Aber immerhin war sie ehrlich genug gewesen, ihm einzugestehen, daß sie das gar nicht wollte! Liebe war nicht ungefährlich. Sie konnte sehr schmerzhaft sein! Sie hatte nicht die Absicht, sich einer solchen Gefahr auszusetzen, und sagte ihm das auch.
    Nein, von jetzt an wollte er nur noch beruflichen Erinnerungen hinterherjagen. Da war er wenigstens sicher. Er war brillant. Selbst sein erbittertster Feind – und das war bisher Runcorn – hatte ihm weder seine Fähigkeiten noch seine Intelligenz, weder seine Intuition noch sein Engagement abgesprochen, die ihn zum besten Kriminalbeamten der Großlondoner Polizei gemacht hatten. Er schritt forsch aus. Es war nichts zu hören außer seinen eigenen Schritten und dem matten, warmen Wind über den Feldern. Am frühen Morgen hätte es wohl noch Lerchen gegeben, aber um diese Zeit war es dafür zu spät.
    Aber es gab, abgesehen von seinem Stolz, noch einen weiteren Grund, warum er sich an möglichst viel erinnern sollte: Er mußte sich seinen Lebensunterhalt jetzt als Detektiv verdienen, und ohne Erinnerung an seine früheren Kontakte zur Unterwelt, an gewisse Details seines Handwerks, an Namen und Gesichter jener, die ihm etwas schuldeten, an Leute die ihn fürchteten, Leute mit Kenntnissen, die ihm nützlich sein konnten oder etwas zu verbergen hatten – ohne all das mußte er wieder ganz von vorne anfangen. Er mußte mehr darüber wissen, wer seine Freunde waren und wer seine Feinde. Durch den Verlust seines Gedächtnisses war er ihnen völlig ausgeliefert.
    An den Weißdornhecken waren noch die letzten Blüten zu sehen, deren warmer, süßer Duft ihn zum Schneiden dick umgab. Dazwischen die langen Ranken wilder Rosen mit ihren rosa und weißen Blüten.
    Er wandte sich nach rechts in The Ride und fand nach hundert Metern einen alten Fuhrmann, der sein Pferd den Weg heraufführte. Er erkundigte sich nach Geoffrey Taunton, und nach einem Moment argwöhnischen Zögerns bekam er die Richtung gewiesen.
    Von außen war das Haus geschmackvoll, die prächtigen Stuckarbeiten am Putz waren ganz offensichtlich jüngsten Datums. Vermutlich als Geoffrey Taunton das Geld seines Vaters geerbt hatte.
    Monk ging die ordentliche, kiesbestreute Einfahrt hinauf, die man erst kürzlich gerecht und gejätet hatte, und klopfte an die Tür. Es war mittlerweile früher Nachmittag, und er mußte schon Glück haben, um den Herrn des Hauses um diese Zeit anzutreffen; aber falls er aus war, so würde er eben versuchen, einen Termin für einen späteren Zeitpunkt zu bekommen.
    Das Hausmädchen, das ihm öffnete, war jung, und seine Augen leuchteten neugierig auf, als es den elegant gekleideten Fremden auf der Stufe sah.
    »Ja, Sir?« sagte sie freundlich und sah ihn an.
    »Guten Tag. Ich habe zwar keine Verabredung, aber ich würde gern Mr. Taunton sprechen, wenn er zu Hause ist. Und falls ich zu früh komme, könnten Sie mir vielleicht sagen, wann es genehmer wäre?«
    »Oh, ganz und gar nicht, Sir, jetzt paßt es ausgezeichnet.« Dann zögerte sie plötzlich, weil ihr klar wurde, daß sie gegen die Konventionen verstoßen hatte: Sie hätte vorgeben müssen, daß ihr Arbeitgeber nicht zu Hause sei, bis sie sich vergewissert hatte, daß der Besucher auch tatsächlich willkommen war. »Ich, ich… meine…«
    Monk mußte lächeln. »Ich verstehe schon«, sagte er trocken.
    »Gehen Sie besser mal und fragen, ob er mich sehen will.« Er reichte ihr seine Karte, auf der Name und Adresse, nicht aber sein Beruf zu lesen waren. »Sie dürfen ihm sagen, ich käme im Auftrag von Lady Callandra Daviot, einer Angehörigen des Verwaltungsrats des Königlichen Armenspitals in Gray’s Inn.« Das hörte sich beeindruckend an, nicht zu persönlich, und außerdem entsprach es der Wahrheit – wenn schon nicht im Kern, so immerhin den Fakten nach.
    »Jawohl, Sir«, sagte sie mit einer spürbaren Zunahme des Interesses im Ton. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, Sir, dann gehe ich fragen.« Mit einem Rauschen der Röcke drehte sie sich um und war auch schon verschwunden, nachdem sie Monk in einen sonnigen kleinen Salon geführt hatte.
    Kaum fünf Minuten später trat

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