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Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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selbst bewußt.«
    Monk beantwortete die Frage nicht direkt. »Können Sie sich einen Grund denken, warum eine der anderen Schwestern Miss Barrymore etwas Böses wollen könnte?« fragte er.
    Taunton machte ein nachdenkliches Gesicht. »Da fällt mir so einiges ein. Würden Sie mir in mein Arbeitszimmer folgen? Da könnten wir die Angelegenheit in etwas bequemerer Umgebung diskutieren.«
    »Ich danke Ihnen«, willigte Monk ein und folgte ihm über einen Flur in einen charmanten Raum auf der Rückseite des Hauses, der viel größer war als erwartet. Er bot einen Blick auf einen Rosengarten und die offenen Felder dahinter. Etwa zweihundert Meter weiter erhob sich ein schöner Ulmenhain.
    »Was für ein herrlicher Ausblick«, sagte er ungewollt.
    »Ich danke Ihnen«, sagte Taunton mit einem verkniffenen Lächeln. Er wies auf einen der großen Sessel und forderte Monk auf, sich zu setzen, bevor er ihm gegenüber Platz nahm. »Sie haben nach den Schwestern gefragt«, wandte er sich wieder dem Thema zu. »Da Sie vom Verwaltungsrat beauftragt sind, nehme ich an, Sie sind mit dieser Sorte Frauen vertraut? Sie haben keine oder nur wenig Bildung und genau die Moral, die man von solchen Leuten erwartet.« Er sah Monk ernst an. »Es dürfte wohl kaum überraschen, wenn sie einer Frau wie Miss Barrymore gegenüber einen Groll hegten. Immerhin mußte sie ihnen reich erscheinen. Sie arbeitete, weil sie wollte, nicht weil sie es nötig hatte. Ganz offensichtlich war sie gebildet, aus besserem Hause und auch sonst mit allem gesegnet, was sich diese Frauen nur wünschen können.« Er sah Monk an, um sicherzugehen, daß er die Nuancen dessen, was er sagte, verstand.
    »Ein Streit?« fragte Monk überrascht. »Es müßte sich aber um ein ausgesprochen verderbtes Frauenzimmer handeln, das zudem über beträchtliche Körperkräfte verfügen muß, um Miss Barrymore anzugreifen und zu erwürgen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Die Flure sind des öfteren für längere Zeit verlassen, aber die Stationen sind nicht weit weg. Ein einziger Schrei, und die Leute wären herbeigeeilt.«
    Taunton runzelte die Stirn. »Ich sehe nicht, worauf Sie hinauswollen, Mr. Monk. Wollen Sie damit sagen, Miss Barrymore sei nicht im Spital ermordet worden?« Eine gewisse Verachtung verhärtete seinen Ausdruck. »Ist das das Anliegen des Verwaltungsrats, die Verantwortung von sich zu weisen, indem man sagt, das Spital hätte damit nichts zu tun?«
    »Ganz gewiß nicht.« Der Gedanke hätte Monk amüsiert, hätte er ihn nicht so wütend gemacht. Er verachtete Aufgeblasenheit; mit Dummheit gepaart – und für gewöhnlich war sie das – war sie schlicht unerträglich. »Ich versuche nur zu erklären, daß es höchst unwahrscheinlich ist, daß ein Streit zwischen zwei Frauen damit endet, daß eine die andere erwürgt«, sagte er ungeduldig. »Ein Streit wäre gehört worden, um genau zu sein, es war immerhin ein Streit zwischen zwei Frauen, der Dr. Beck und Lady Callandra an den Ort des Geschehens rief, was zu Miss Barrymores Entdeckung führte.«
    »Oh.« Taunton sah plötzlich blaß aus, als ihr Wortgeplänkel in den Hintergrund rückte und sie sich beide erinnerten, daß es hier um Prudence’ Tod und nicht um ein hypothetisches Gedankenspiel ging. »Ja, ich verstehe. Dann wollen Sie also damit sagen, das Ganze geschah vorsätzlich, kaltblütig und ohne Warnung.« Er wandte den Blick ab, seine Miene voller Gefühl.
    »Großer Gott, was für ein schrecklicher Gedanke! Arme Prudence.« Er schluckte mit einiger Mühe. »Ist es möglich, Mr. Monk, daß sie kaum etwas davon mitbekam?«
    Monk hatte keine Ahnung. »Ja, ich denke schon«, log er. »Es kann durchaus sehr schnell gegangen sein, vor allem wenn der Angreifer kräftig war.«
    Taunton blinzelte hastig. »Ein Mann also. Ja, das scheint viel wahrscheinlicher.« Er schien mit der Antwort zufrieden.
    »Hat Miss Barrymore Ihnen gegenüber irgendwann einen Mann erwähnt, der ihr Sorgen machte, zu dem sie ein unbefriedigendes Verhältnis gehabt hatte?« fragte Monk.
    Taunton hob die Brauen und sah Monk fragend an. »Ich bin mir nicht sicher, wie ich das verstehen darf.«
    »Ich weiß nicht, wie ich es anders sagen soll. Ich meine damit entweder persönlich oder beruflich: ein Arzt, ein Kaplan, ein Kämmerer, der Verwandte eines Patienten, irgend jemand, mit dem sie im Zusammenhang mit ihren Pflichten zu schaffen hatte«, versuchte Monk zu erklären.
    Tauntons Gesicht hellte sich auf. »Ach so, ja, ich

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