Im Schatten der Leidenschaft
Kopf. »Was für ein Abend! Ich fürchte, wir werden in den kommenden Wochen von bezauberten jungen Männern heimgesucht werden, Samuel. Man konnte nicht mehr in die Nähe des Mädels kommen von dem Moment an, wo sie den Raum betreten hatte.«
»Man kann nur hoffen, daß ihre Gesellschafterin ihr nicht übelnimmt, wenn sie sie immer auf den Arm nimmt«, sagte Samuel. »Ich hab’ immer Schwierigkeiten, keine Miene zu verziehen. Sie ist wirklich boshaft.«
»Ich weiß, aber es ist unwiderstehlich.« Hugo folgte Samuel durch die Schwingtür in die Küche. »Ich werde sie zurückpfeifen, wenn sie zu frech wird.« Er setzte sich ans Feuer, streckte die Beine aus und betrachtete mit gerunzelter Stirn seine Satinhosen. »Mein Gott, Samuel, ich hätte nie gedacht, daß ich je wieder so etwas tragen würde, um dann irgendwelchen dummen Dämchen bei langweiligen Tanzveranstaltungen meine Aufwartung zu machen.«
»Diese Lady Carrington scheint ja eine prima Person zu sein«, bemerkte Samuel, als er einen Becher Tee vor Hugo stellte.
»O ja«, stimmte ihm Hugo zu. »Eigentlich war es auch gar nicht so schlecht. Ich hatte eben nur gedacht, ich hätte diesen ganzen Unsinn hinter mir. Statt dessen ...« Er seufzte.
Samuel würzte seinen eigenen Tee mit Rum und setzte sich ihm gegenüber. »Dann sehen Sie zu, daß Sie sie unter die Haube kriegen. Um so eher kommen wir zurück nach Denholm.«
»Das ist ja der Zweck der Übung«, sagte Hugo trocken und schlürfte seinen Tee. Ein Kätzchen sprang ihm auf den Schoß und stieß an seine Hand. Tee schwappte über seine weiße Weste.
»Verdammt noch mal!« Er sah böse das Kätzchen an, das sich nun schnurrend in seinem Schoß zusammenrollte. »Welches ist denn das?«
Samuel zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Und wenn ich’s wüßte, könnte ich’s sowieso nicht richtig aussprechen.«
Hugo lachte widerstrebend. »Ich vermute, daß es Ariadne ist, aber beschwören würde ich’s nicht.« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schloß die Augen.
Samuel lächelte stillschweigend und schlürfte seinen Tee. Es war ihr allabendliches Ritual, zusammen in der Küche zu sitzen, die um diese Zeit nicht mehr die Domäne des knauserigen Alphonse war, dessen Auseinandersetzungen mit Chloe über den Nahrungsbedarf der Tiere täglich zu neuen Aufständen führte.
Samuel betrachtete seinen Freund sorgfältig. Hugo, so sehr er auch angeblich das gesellschaftliche Getümmel haßte, wirkte jünger und gesünder, als er ihn je seit dem Ende seiner Marinezeit gesehen hatte.
Aber Samuel hatte den Verdacht, daß es bald Schwierigkeiten geben würde. Hugo war glücklich. Was für Gefühle auch immer er für sein jugendliches Mündel haben mochte, sie bereiteten ihm große Freude. Doch darunter lag das Wissen, die Sicherheit, daß dies nur vorübergehend so bleiben konnte. Und wenn Chloe erst wieder aus seinem Leben verschwunden war, würde er dann wieder zu seiner inneren Leere zurückkehren?
Samuel wußte, daß Hugos Kraft mit jedem Tag zunahm, den er über seine Sucht triumphierte. Manchmal wünschte der alte Seemann, die Beziehung der beiden würde so lange wie möglich weiter andauern, und dann wieder dachte er, je früher das Ende käme, desto besser. Denn je länger es so andauerte, desto schwieriger würden die Bande zu lösen sein, die ihn mit dem Mädchen verbanden.
Hugo stellte seinen Becher auf den Tisch und gähnte. »Ich geh ins Bett.« Er nahm das Kätzchen und hob es mit einer Hand hoch. »Nein«, sagte er blinzelnd. »Das ist bestimmt nicht Ariadne. Du mußt wohl Äneas sein.« Er stellte das Tier auf den Boden. »Geh zurück zu deiner Mama.« Das Kätzchen machte sich nun daran, sich mit lässiger Grazie zu putzen.
Hugo lachte und stand auf. »Gut’ Nacht, Samuel.«
»’Nacht, Sir Hugo.«
Eine halbe Stunde später, als Hugo schon im Bett war, öffnete sich ganz leise seine Tür, ein heller Kopf schaute um die Ecke, und ein Paar kornblumenblaue Augen zwinkerten hintergründig. »Oh, gut, daß du noch nicht schläfst.«
Hugo legte sein Buch weg. »Nein, da ich mich auch an deine Angewohnheiten gewöhnt habe, warte ich auf dich. Kommt der Rest von dir auch noch herein?«
Chloe schlüpfte ins Zimmer und schloß die Tür mit übertriebener Sorgfalt hinter sich, einen Finger an die Lippen gelegt. »Wir dürfen die liebe Lady Smallwood nicht aus ihren Nachtisch-Träumen wecken.«
»Du bist ein respektloses Ding. Hast du denn überhaupt keine Achtung vor Leuten, die
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